Wirtschaft und Gesundheit sind nicht zu trennen

Anders als hierzulande, wo jede Diskussion der aktuellen Corona- Strategie als “billigende Inkaufnahme zehntausendfachen Todes” gebranntmarkt wird, mit etwa diesen Worten kritisierte mich auch eine Leserin, wird in Deutschland immerhin diskutiert.

So machte der Präsident der deutschen Ärztevereinigung darauf aufmerksam, dass der Umstand, dass Ärzte und Pfleger ohne ausreichende Schutzkleidung rund um die Uhr mit Risikofällen, also jenen Menschen, die die meisten Viren ausscheiden, befasst sind, dazu führen wird, dass immer mehr notwendiges medizinisches Personal durch Erkrankung ausfällt.

Man müsse innerhalb der Risikogruppe zwischen Patienten mit höchstem, mittlerem und geringsten Risiko unterscheiden und diese Kategorien unterschiedlich betreuen. Ich füge an: Man sollte auch zwischen unterschiedlich gefährdeten und gefährdenden Gruppen der Bevölkerung unterscheiden und die ihnen auferlegten Zwangsmaßnahmen darauf abstimmen.

Drei Monate Shutdown – bis zu 20% weniger BIP

Schützenhilfe erhält der Präsident der Ärztekammer vom Präsidenten des deutschen Wirtschaftsforschungsinstitut, IFO, mit den folgenden Aussagen ( denen ich nochmals anfüge, dass auch wirtschaftlicher Niedergang Leben erheblich verkürzt).

“Schon bei einer Shutdown- Dauer von zwei Monaten reduziert sich die Wachstumsrate des BIP zwischen 7,2 und 11 Prozentpunkten, bei drei Monaten zwischen 10 und 20 Prozentpunkten.”

“Debatten, die in der wirtschaftlichen Einschätzung und der Bekämpfung der Epidemie einen unauflöslichen Zielkonflikt sehen, führen in eine Sackgasse. Es ist dringend notwendig, nach Möglichkeiten zu suchen, die schrittweise Aufhebung oder Lockerung des Shutdown mit effektivem Gesundheitsschutz zu verbinden. Dazu gehört umfangreiches Testen, die flächendeckende Verwendung von Gesichtsmasken sowie Desinfizierungsmaßnahmen im öffentlichen Raum.”

Zu den umfangreichen Tests ist Österreich etwas verspätet übergegangen. Der flächendeckenden Verwendung von Gesichtsmasken stehen die mir rätselhaften Aussagen zuständiger Experten und Politiker gegenüber. Den Umfang der Desinfizierungsmaßnahmen kenne ich nicht, da ich kaserniert bin- im Fernsehen wurden aber keine gezeigt.

Für die Lockerung des Shutdown finden Experten und Regierung hoffentlich den richtigen Zeitpunkt- mir ist bewusst, wie unendlich schwierig das ist. Es zu diskutieren halte ich weiterhin für nötig.

6 Kommentare

  1. Danke f.d.Kommentar. Die Abwägung ist nicht leicht. Doch die Diskussion ist mehr als wichtig.Diesen Satz las ich unlängst in einem Kommentar.”Wenn Vernunft bedeutet, ein brennendes Haus zu löschen, heißt Vernunftpanik sicherheitshalber auch einen Stausee um das Haus zu fluten”.

  2. Das Runterfahren der Wirtschaft kann per Verordnung erfolgen (wie wir es erlebt haben). Das Wieder-Hochfahren wird alleine per Verordnung nicht gehen. Egal, wie früh oder wie spät man sich für das Wieder-Hochfahren entscheiden wird, mit der Planung dafür kann man nicht früh genug beginnen. Falls es nicht ohnehin schon gemacht wurde, dann sollte man einen Expertenkreis mit Repräsentanten aus der Privatwirtschaft etablieren. Wohlgemerkt: direkte Vertreter aus der Wirtschaft und nicht (nur) deren Vertreter aus WKÖ, IV und dergleichen. Ein Expertenkreis, der ausgewogen ist nach Firmengröße, Branchen, etc. Möglicherweise müssen Investitionen getätigt werden, die eine Vorlaufzeit benötigen (z. B. geschützte Arbeitsplätze, etc.). Wie gesagt, hier wird es 3 Prioritäten geben: vernünftige Planung, vernünftige Planung und noch einmal vernünftige Planung.

  3. Das teuflische an diesem Virus ist, dass er sich mitunter sogar symptomlos durch die Bevölkerung frisst. Damit sind die Überträger nur durch Tests lückenlos identifizierbar. Bei über 5.000 nachweislich Infizierten und einer unbekannten Dunkelziffer noch nicht identifizierter Infizierter nimmt jetzt das Schicksal seinen Lauf. Selbst durch breitflächige Tests aller Menschen scheint mir der Zeitpunkt überschritten, wo noch eine Isolierung der Infektionsnester möglich wäre, wie es in Südkorea, Taiwan oder Singapur gelungen zu sein scheint. Eine rigorose Verhinderung einer ungehemmten Verbreitung durch die von der Regierung getroffenen Maßnahmen ist daher alternativlos. Gesundheit gegen Wirtschaft – in Tirol ist das Pendel zu Beginn zugunsten der Wirtschaft ausgeschlagen und die Folgen sind bekannt. Die penible Einhaltung der aktuellen Maßnahmen wird helfen, die Aufhebung des Shutdown zu beschleunigen.

  4. Ja, ich weiß – Ethos und Wirtschaft werden sich immer in die Quere kommen, wir brauchen beides, aber manchmal ist die Wertigkeit ein großes Fragezeichen. Ich verfolge ihre Meinung seit vielen Jahrzehnten, Herr Lingens, das war immer der Haken.

  5. Ist Gesundheit aber tatsächlich vom BIP abhängig, oder doch eher eine Frage der Verteilung? Haben wir nicht gerade jetzt eine einmalige Chance, Wesentliches von Unwesentlichem unterscheiden zu lernen? Und sollten wir die Gelegenheit nicht mental dazu nutzen, Spreu von Weizen zu trennen? Das Gemeinwohl darf buchhalterischen Erfordernissen nicht untergeordnet werden, sondern die Zielsetzungen der “Zahlenspiele” müssen sich am Gemeinwohl orientieren.

    So schrecklich es uns finanzökonomisch erscheint, dass z.B. derzeit die Flieger am Boden bleiben müssen und auch der Straßenverkehr auf das allernötigste reduziert ist, so wohltuend ist der Effekt für Umwelt und Gesundheit. Unser Hauptaugenmerk sollte wieder der Primätwirtschaft gelten. Alles andere ist Buchhaltung mit dem Kunstprodukt “Geld”. Und das sollten wir jetzt den zeitgemäßen Anforderungen prosperierender Gesellschaften entsprechend gestalten.

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