Die vernachlässigten „Shutdown“-Toten

Ich wage in ungewollter Übereinstimmung mit dem Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Kapsch folgende Vorhersage: Der fortgesetzte Shutdown der Wirtschaft durch „Corona“ wird uns über zehn Jahre hinweg berechnet, wesentlich mehr vorzeitige Tote bescheren, als die aktuelle Pandemie.

Grundlage dieser Vorhersage ist das völlig zweifelsfrei Wissen, dass die Lebenserwartung „Armer“ bis zu zehn Jahren unter der Wohlhabender liegt. Derzeit gibt es in wohlhabenden Ländern wie Österreich, Schweden, Holland und natürlich Deutschland rund zehn Prozent der Bevölkerung auf die das zutrifft – in armen Ländern von Bulgarien über Griechenland bis Italien wird der Prozentsatz schon jetzt viel größer sein. Im Falle einer europaweiten Wirtschaftskrise wird er sich im günstigsten Fall verdoppeln, im ungünstigsten verneunfachen. Daraus ermesse man die in diesen Fällen mindestens oder maximal vorzeitig Sterbenden.

Wie wahrscheinlich ist der Einritt einer solchen europaweiten Krise? Derzeit prognostizieren Deutschlands führende Wirtschaftsforscher, dass jeder Monat Shutdown gegen 5 Prozent Wachstum kostet- drei Monate also 15 Prozent. Vorausgesetzt, dass die US-Wirtschaft nicht kollabiert.

An dieser Prognose mag man die Wahrscheinlichkeit des Einritts einer europaweiten Wirtschaftskrise ermessen.

Die Toten durch Armut fallen nur weniger auf

Dass die vorzeitigen Toten durch Armut bei allen Überlegungen so sehr vernachlässigt werden, liegt daran, dass wir sie normaler Weise überhaupt nicht wahrnehmen- sie sind ständiger Bestandteil der gewohnten Mortalitätsstatistik.

Die zusätzlichen Coronatoten stechen hingegen hervor.

Und horrende Todeszahlen innerhalb kurzer Zeit sind emotional natürlich kaum zu verkraften.

Noch dazu wird sie durch die aktuelle Darstellung noch zusätzlich überhöht: Um exakt zu sein, müsste man die Zahl derer, die seit jeher an Krebs, Diabetes Mellitus, Herz- oder Atemwegsbeschwerden gestorben sind, der Zahl derer gegenüberstellen die jetzt, durch das Hinzutreten des Corona -Virus mehr daran sterben.

In Österreich, so sage ich vorher, werden das unerwartet wenige sein.

In Ländern, in denen „Austerity“ die Gesundheitssystem kaputtgespart hat, voran Italien oder Spanien, denen Austerity von Maastricht und Sparpakt aufgezwungen wurde ist dieser Zahl überzähliger Toter in kurzer Zeit gespenstisch: Wenn die Intensivmedizin eines Gesundheitssystems einmal überfordert ist, sterben dort zwangsläufig alle Schwerkranken oder auch nur im Verkehr Verunfallten vorzeitig, egal ob sie auch noch ein Corona-Virus in der Lunge haben. In Ländern die Austerity, wie England oder Holland aus neoliberaler Überzeugung geübt haben, werden die Zahlen ähnlich gespenstisch sein.

Das ändert aber nichts daran, dass die Zahl der vorzeitig Toten durch den Shutdown in Summe noch viel größer sein wird.

Tatsächliches Handeln entspricht selten der Theorie

 Das heißt nicht, dass ich in der Realität als Politiker anders als Kurz und Kogler gehandelt hätte: Die emotionale Angst vor plötzlich angehäuften Leichenbergen lässt das nicht zu. Allenfalls hätte ich die Einschränkungen des Wirtschaftslebens nicht ganz so strikt gestaltet – zum Beispiel Arbeit im Freien immer zugelassen und für den Einkauf in Geschäften nur Maskenpflicht vorgeschrieben. Und vermutlich nähme ich diverse andere Restriktionen früher zurück, obwohl ich damit riskierte, dass die Infektion wieder aufflammt – aber Österreichs Intensivmedizin ist dem meines Erachtens gewachsen.

7 Kommentare

  1. Ich schätze die Kommentare von Herrn Lingens immer sehr, wenn sie auch manchmal übers Ziel hinausschießen, aber vieles muss man übertreiben, um überhaupt gelesen zu werden. Diesen Beitrag finde ich aber sehr bedenklich und überflüssig. Es ist wohl klar, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen enorm problematisch sein werden, aber diese und die sozialen Probleme jetzt gegen die Anzahl von Toten aufzurechnen ist wohl ungeheuerlich, es handelt sich bei allen Zahlen um Vermutungen und Schätzungen, ohne wirkliche Fakten. Diese Diskussion hier in dieser Frage hat mich sofort an ein Zitat, er nannte das Sinnspruch des Tiroler Kabarettisten und Satiriker Otto Grünmandl erinnert: “ höret, was Erfahrung spricht, hier ists so wie anderswo – nichts genaues weiß man nicht – diese aber ebenso!“ Im Übrigen ist eine entsprechende Systemkorrektur unerlässlich, mit der man die „vielen Armen, die durch diese Quarantäne noch vermehrt werden, in eine bessere Situation bringen muss, endlich eine Reichtums Verlagerung von oben nach unten, damit können wir dieses vorausgesagte vermehrte Sterben der Armen ja verhindern. Wenn wir das alles jetzt schon spüren und wissen, dann tun wir es doch einfach!

  2. Nachdem sich der Herr Lingens bei seiner Einschätzung der Länder welche ursprünglich die „Herdenimmunität“ als das bevorzugte Mittel zur Bekämpfung des Corona Virus einsetzen wollten so großartig geirrt hat versucht er jetzt die aktuell entstehenden Todesraten gegen sehr unbewiesene Todesraten durch möglicherweise erweiterte Armut aufzurechnen.
    Ich stelle mir vor welche Todesraten wir in Europa hätten wenn keinerlei einschränkende Maßnahmen stattgefunden hätten – dann wären wir bei den Millionen Toten die in den USA prognostiziert wurden.

    Und wirtschaftlich besser überstehen werden es jene Länder welche die von Lingens bekämpfte Sparpolitik betrieben haben – denn die haben jetzt das Geld das in dieser Situation notwendig ist um Maßnahmen der wirtschaftlichen Unterstützung zu setzen.

  3. Wenn man wegen „einiger“ Toten – falls „hier und jetzt“ Menschenleben zu retten die aller höchste Priorität hat – Dinge einschränkt / verbietet, gäbe es sehr viel zu tun. Fangen wir einmal mit dem Autofahren an …
    Aber Autos retten auch Menschenleben, wenn man damit Kranke und Verletzte sehr schnell ins Spital bringen kann.
    Aber die jetzigen Aussagen unserer Regierungsmitglieder – und nicht nur von unseren – zielen auf die Gefühlsebene ab und weniger auf den Verstand. Und gegen das kann man – leider – nicht anstinken.

  4. Diesem Artikel stimme ich zu 100% zu! Hier herrscht derzeit ein gefährliches Ungleichgewicht zu Gunsten der Virusbekämpfung und zu Lasten der Wirtschaft. Donald Trump scheint der einzige zu sein, der versteht, dass ohne eine funktionierende Wirtschaft alles andere unwichtig wird. Nicht, dass man an den jetzigen Lock-down Massnahmen kurzfristig etwas ändern sollte. Kurzfristig scheinen sie ‚alternativlos‘ zu sein. Man sollte aber parallel zu einer „Corona Task Force“ auch eine „Wirtschafts Task Force“ ins Leben rufen, die den gleichen Stellenwert an Medienpräsenz bekommt. Hier sollten sich die besten ‚Wirtschaftsköpfe‘ in einem Gremium überlegen, wie die Rückkehr zur wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit effizient, rasch, aber auch verantwortungsvoll gemacht werden kann. Mit ‚Wirtschaftsköpfen‘ meine ich nicht die Sozialpartner, die natürlich auch partizipieren müssen, aber an ersten Stelle denke ich an Vertreter direkt aus den verschiedenen Sektoren der Privatwirtschaft.

  5. Wenn in Österreich die durchschnittliche Lebenserwartung bei ca. 80 Jahren liegt und das durchschnittliche Ableben eines / einer „Corona-Toten“ ebenfalls 80 ist, wird sich Corona nicht in der Gesamtsterblichkeit / im Gesamtbevölkerungsstand auswirken.
    Oder unterliege ich da einem Denkfehler?

  6. Warum erinnert mich die politische Handhabung der Covid-19 Situation an den Film „Wag the dog“ mit Dustin Hoffman und Al Pacino? Kann es sein, dass es an der Verhältnismäßigkeit der Darstellung liegt?

  7. Großteils stimme ich Ihnen zu,jedoch auch in Österreich wurde das Gesundheitssystem“ nach EU Diktat „gedeckelt“,auch finde ich ihre Ansicht bedenklich,wegen Arbeit „im Freien“ zulassen,beziehungsweise div.“Restrektionen“aufheben!?Mahrer von der WKÖ,samt „Anhang“ ,würden das gutheißen!Stehen schon in den „Startlöchern“,sehr fatal,zum heutigen Zeitpunkt!Meine „unerhebliche“ Meinung dazu!

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