Ungerechter geht nicht

„Dancing Stars“ ist wirklich ein grandioses Fernsehformat. Denkbar unterhaltend lehrt es politisch unglaublich Wichtiges:

  • Dass man mit optimalen Lehrern in kurzer Zeit unglaubliche Fortschritte erzielen kann.
  • Dass selbst denkbar Unbegabte passable Leistungen erzielen können, wenn sie optimal unterrichtet werden und man ihnen etwas Zeit gibt.
  • Oder dass Kunst- und Tanzen eine Kunst ist und Menschen verändern kann: Anfangs Harte und Steife können innerhalb weniger Wochen weich und schmiegsam werden.

Mich hat die gestrige Sendung in meiner politischen Überzeugung bestätigt, dass Geschworenengerichte abgeschafft gehören und man Volksabstimmungen in Österreich so weit wie irgend möglich meiden soll: Die Gleichberechtigung des „Public Voting“ mit dem Voting der Jury hat zum zweiten Mal dazu geführt, dass ein Paar ausgeschieden ist, dass ebenso gut das Siegespaar sein könnte, während um drei Klassen schwächer Paare im Bewerb geblieben sind.

Das scheint mir etwas zu viel der Ungerechtigkeit, selbst wenn es „nur“ um eine Unterhaltungssendung geht.

Drag Queen Tamara hat sich vor ein paar Wochen begreiflicherweise zutiefst über ihr ähnlich ungerechtes Ausscheiden gekränkt – die Schauspielerin Edita Malovčić hat es mit professioneller Eleganz hingenommen. Dennoch hat der ungarische Wertungsrichter Balázs Ekker zu recht erklärt, dass ihn das Ganze an einen Faschingsscherz erinnert.

Das Urteil der Jury kann mehr Gewicht haben

Mir ist klar, dass die Verbindung von professioneller Wertung mit telefonischer Wertung durch die Zuseher den besonderen Reiz dieser Sendung ausmacht, und es hat auch etwas Sympathisches an sich, wenn das Publikum den schwächsten Kandidaten über die ersten Runden bringt, indem es honoriert, wie sehr er sich plagt.

Aber ich weiß nicht, ob es der Sendung auf die Dauer gut tut, wenn sie als extrem ungerecht wahrgenommen wird.

Es gäbe ab der fünften Staffel einen eleganten Ausweg, der sich Freitag optimal angeboten hätte. Konkret hat die Jury zuerst jedes Paar mit dem von ihm vorgeführten Tanz bewertet und das hat wie immer zu einer akzeptablen Reihung geführt. Danach wertete die Jury ein zweites Mal im Rahmen eines Tanz-Marathons und wieder kam eine akzeptable Reihung heraus. In der Folge wurden die beiden Wertungen zusammengeführt und es ergab sich eine neue, quasi optimierte Jury-Wertung, die dann wie jedes Mal gleichberechtigt durch die Publikumswertung ergänzt wurde und das zitierte denkbar ungerechte Resultat ergab.

Vermieden hätte man dieses extrem ungerechte Resultat denkbar einfach, wenn man die Punkte der beiden Jury-Wertungen zusammengezählt und dann die Punkte aus der Publikumswertung hinzugezählt hätte- denn die Wertung der professionellen Jury wäre dann zweifach, die des Publikums nur einfach in die Endwertung eingeflossen.

Ich glaube nicht einmal, dass es den Zusehern negativ aufgefallen wäre, denn es hätte durchaus logisch gewirkt.

Professionelle Wertungsrichter bewerten nun einmal seriöser als „das Volk“ so wie eine Entscheidung von Parlamentariern, die sich professionell mit einem Thema auseinandergesetzt haben, ein seriöseres Resultat als eine Volksabstimmung erbringt und man dennoch nicht behaupten kann, dass das Volk von der Entscheidung ausgeschlossen ist. Es gibt offenkundig geeignete und weniger geeignete Modi, um das Volk in Entscheidungen mit einzubeziehen.

Der aktuelle Modus der Dancing Stars scheint mir ein weniger geeigneter.

 

8 Kommentare

  1. Ich schaue „Dancing Stars“ nie und finde auch, dass solche Formate nichts in einem öffentlich rechtlichen Sender zu suchen haben.

    Aber offenbar wurde das eindeutig bessere Paar aufgrund von geringen Sympathiewerten abgewählt und die schlechteren Tänzer protegiert.

    Also wieder genau wie im richtigen Leben.

    Mehrheitsentscheidungen von Laien beinhalten immer ein viel größeres Risiko einer Fehlentscheidung, als wenn Entscheidungen nur von Spezialisten getroffen werden. Aber auch Fachleuten passieren Fehler, wennschon seltener.

    In einer Demokratie muss man das Risiko einer falschen Entscheidung eingehen und diese dann auch akzeptieren.

    Vielleicht sollte man über sehr komplexe Probleme nicht abstimmen lassen. „Dancing Stars“ gehört da sicher nicht dazu.

    Aber bedenklich sind Unterhaltungsformate immer wenn das Publikum über Menschen nach Sympathiewerten urteilen darf.

    Ein extremes Beispiel zeigt der Film „Yalda“. Im Iran gibt es offenbar eine TV Show, wo das Publikum mitentscheidet ob ein zum Tode verurteilter hingerichtet werden soll oder nicht.

    Shows wie Dancing Stars, Big Brother, Germanys next Topmodel oder Ähnliches erinnern mich daran, daher schaue ich so etwas auch nicht an.

  2. Ich kann nicht glauben, dass ich zu diesem Artikel einen Kommentar abgebe – es gibt nicht viel Unwichtigeres als Fernsehen im Allgemeinen und Unterhaltungsformate wie Dancing Stars und die ganzen anderen „Ranking-Shows“ im Speziellen. Der Meinung von Herrn Lingens kann ich in diesem Fall voll und ganz zustimmen. Mich stört Ungerechtigkeit genau so – z.B. auch beim Fußball wo ich nichts von einen glücklichen Sieger hören mag dem es gelingt bei einem einzigen Angriff aufs gegnerische Tor einen Treffer erzielen während dem Rest der Partie 10 Mann das eigen Tor verrammeln um dem Gegner das Toreschießen unmöglich machen. Das Ganze wird dann als „das ist Fußball“ noch glorifiziert. (Ich hätte auch eine Lösung die schon längst umgesetzt hätte werden sollen – größere Tore und die damit verbundene Wahrscheinlichkeit von deutlich mehr Treffern!) Aber das nur nebenbei! Zurück zu Dancing-Stars. Ich weiß auch nicht was sich die Entwickler dieses Unterhaltungsformates gedacht haben – dem Voting der Zuseher eine größere Bedeutung beizumessen als dem der Jury? Vor allem auch weil das „Volksvoting“ die Abgründe in den Seelen des Volkes hervortreten lässt und es besser wäre diese nicht so überdeutlich aufzuzeigen. Keine Überraschung also, dass die Drag-Queen als erste auf der Strecke bleibt und dann die oder der „Ausländer“ und ein unbeholfen herumhampelnder Andy Ogris – der ehemaliger Fußball-Star, der wie kein Zweiter seine Rolle „als einer vom Volk“ gibt, es wahrscheinlich bis ins Finale schafft.

    Nebenbei glaube ich es dem ORF nie und nimmer, dass vor einigen Jahren, bei der Wahl des beliebtesten Österreichers, Michael Niavarani – den ich persönlich bewundere – es an die Spitze des Rankings geschafft hat – da hat, meiner Meinung nach, der ORF gehörig nachgeholfen.

    Grundsätzlich zur direkten Demokratie wie sie in der Schweiz praktiziert wird. Ich war immer ein Fan dieser Demokratie-Form weil ich überzeugt war, dass die Wähler, wenn sie direkt gefragt werden, sich mehr und eingehender mit der Thematik und vor allem deren langfristige Auswirkungen beschäftigen und bessere Entscheidungen treffen. Dass sich der ungebildete Teil der Wähler von der Entscheidung ausnimmt, in dem er dieser fern bleibt ist dabei nicht von Nachteil. Allerdings funktioniert das auch nicht immer und auch die Schweiz ist nicht von populistischen Tendenzen gefeit und es nicht möglich wäre auch einmal verhängnisvoll daneben zu liegen. Die aktuell laufende Debatte um die „Konzern-Verantwortung“, die die Initianten den Schweizer Firmen „auf Aug drücken wollen“, scheint mir so ein Thema. Da ist die Schweiz gerade dabei sich mehrfach in die eigenen Beine zu schießen da die Umfragen deutliche Signale für die Annahme dieser Initiative zeigen.

  3. Meine Erinnerung ist, dass Kreisky nie gesagt hat, er würde zurücktreten. Nur, dass er Konsequenzen ziehen würde – was er mit dem Atomsperrgesetz auch tat. Das er abtritt haben nur einige Meinungsmacher hineininterpretiert.
    Immerhin hat uns die Volksabstimmung die Entsorgungskosten für den Krempel und die Brennstäbe erspart. Würde man die noch auf Jahrzehnte anfallenden Kosten richtig bewerten, wäre klar, dass Kernenergie die teuerste Energieform ist.

    1. Ich nehme an ihre Antwort richtet sich eigentlich an den Poster „Staberl“ – dann wäre es auch besser ihn mit der „Antwort“-Funktion direkt anzusprechen!

      Weltweit war nur Österreich so dumm ein Atomkraftwerk erst zu bauen und dann einen Abstimmung darüber zu machen ob man es es auch aufsperrt! Für diese enorme Geldverschwendung ist Kreisky schuld! Kreiskys hat, in seinem Zorn über den Ausgang der Abstimmung, diese Dummheit dann noch potenziert als er noch ein Atom-Sperrgesetz nachgeschoben hat welches es auf ewige Zeiten unmöglich macht in Österreich Atomkraftwerke zu errichten – selbst dann wenn eine Technologie gefunden werden sollte die als sicher anzusehen ist. (Nutzen tun wir in Österreich ja Atomkraft – wir importieren Atomstrom aus dem Ausland!)

      Hören sie also auf sich diese Thematik und den Politiker Kreisky „schönzureden“. Kreisky hat Österreich geprägt – nicht alles jedoch war positiv. Nicht wenige der Probleme mit denen wir uns heute herumschlagen (müssen) „verdanken“ wir Kreisky!

      1. Nicht zu vergessen: Kreisky haben wir zu verdanken, dass er die Anzahl der Nationalratsabgeordneten von 165 auf 183 anhob um sich bei der FPÖ für deren Unterstützung seiner Minderheitsregierung zu bedanken. Und 1983 war er Taufpate einer SPÖ FPÖ Koalition. Damit machte Kreisky erst die FPÖ salonfähig aber die heutige SPÖ will davon nichts mehr wissen.

  4. Wow, das wird Proteste von „wahren“ Demokraten hervorrufen, Herr Lingens!
    Direkte Demokratie braucht Verantwortungsbewusstsein. In Wirtschaft und Politik zumindest ein Basisverständnis. Das wird – wenn man das Schulsystem (und die Lehrerausbildung!) revolutioniert (bitte kein Evolution, es hat sich seit meiner Schulzeit (Matura 1979) und dem Miterleben der Schulsituation meiner Kinder vor wenigen Jahren kaum etwas geändert!) und die Wähler laufend via Medien die Reife für Entscheidungen in Volksabstimmungen zukommen lässt – in 1-2 Generationen einigermaßen so sein wie in der Schweiz (sehr optimistische Annahme!).

    Oder ist die österreichische Mentalität nicht für direkte Demokratie geeignet?

  5. Zu befürchten ist, dass parallel zur erwünschten Minderung von Autoritätsgläubigkeit (z. B. Jury) eine emotionale Abwertung von deren Urteilen vor sich ging.

  6. Ihre Aussage: „ man soll Volksabstimmungen in Österreich so weit wie irgend möglich meiden“ hätten Sie schon 1978 propagieren sollen. Da hatte nämlich der für mich unselige Kanzler Kreisky die fatale Idee, über Zwentendorf das Volk abstimmen zu lassen mit dem Zusatz, wenn sich das Volk gegen Zwentendorf ausspricht, dann schmeißt er sein Kanzleramt hin.

    Was dann passierte ist österreichische Geschichte: Zwentendorf wurde nicht in Betrieb genommen und Kreisky hat das Volk belogen!

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