Was macht den Kommunismus salonfähig?

Die historische Belastung des realen Kommunismus mit Blut und Elend wiegt erstaunlich wenig. Traditionelle linke Politik angeblicher Kommunisten beeindruckt zu Recht.

Es gibt eine kurze Antwort auf die im Titel gestellte Frage: Die Schere zwischen hyperreich und relativ arm war lange nicht so groß, und Ahnungslose meinen, dass das im Kommunismus anders war. Gemäß einer Gallup Umfrage können sich daher 24 Prozent der Österreicher vorstellen die Kommunistische Partei (KPÖ) zu wählen. Am ehesten mit 29 Prozent Sympathisanten der SPÖ, aber mit 27 Prozent auch Grün-Affine. Am meisten verblüfft, dass sich selbst 25 Prozent Neos-Affiner vorstellen können, kommunistisch zu wählen, während es unter ÖVP-Affinen nur 13 Prozent sind. Weniger verblüffend: Dass die Bereitschaft bei unter 30-Jährigen mit 33 Prozent am höchsten ist – dies entspricht der Qualität unseres Geschichtsunterrichts – und dass sie bei Freiheitlichen mit 16 Prozent ähnlich niedrig wie bei VP-Affinen ist; Neo-Faschismus liegt ihnen vermutlich näher als Neo-Kommunismus.

Am Rande erklären diese Zahlen, warum eine “linke” SPÖ unter Andreas Babler laut Umfragen mehr Stimmen als eine “rechte” unter Hans Peter Doskozil erhielte: Sie nähme Grünen und Neos am ehesten Stimmen weg. Dadurch wird aber die von Babler erhoffte rot-grün-pinke Koalition um nichts wahrscheinlicher.

Obwohl das der realpolitisch bedeutsamste Schluss ist, den man aus der überraschenden Kommunismus-Akzeptanz der Österreicher ziehen muss, beeindruckt mich einmal mehr, wie wenig die historische Belastung einer Weltanschauung wiegt. Immerhin sind in der kommunistischen Sowjetunion allein aufgrund der “Zwangskollektivierung” (Enteignung der Bauern zugunsten staatlicher Agrar-Kombinate) schätzungsweise  sieben Millionen Menschen verhungert und wurden bis zu Stalins Tod im Jahr 1953 mindestens 18 Millionen Menschen als angebliche “Konterrevolutionäre” verhaftet, von denen 2,5 Millionen im “Archipel Gulag” starben und weiter 700.000 hingerichtet wurden. Gleichzeitig entstand die ungerechteste Gesellschaft, die man sich vorstellen kann: Parteifunktionäre besaßen zwar nichts, verfügten aber über absolut alles – prachtvollen Datschen bis zur eigenen Autobahn. Gleichzeitig war die Bevölkerung nicht nur relativ, sondern absolut arm. Kommunismus war und ist in jedem Land, in dem er herrschte – von Kuba über Kambodscha bis China -, mit Elend und Folter verbunden: Auch geflohene Kubaner haben Folternarben; dass es der Masse der Chinesen trotz Folter ökonomisch immer besser geht, liegt daran, dass ihre Wirtschaft immer weniger mit Kommunismus zu tun hat. Auch die Forderung der Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) oder des Salzburger KPÖ-Shootingstars Kay-Michael Dankl haben nichts mitKommunismus zu tun.

Die historische Belastung des realen Kommunismus mit

Blut und Elend wiegt erstaunlich wenig. Traditionelle

linke Politik angeblicher Kommunisten beeindruckt zu recht

Beide fordern nur glaubwürdiger als andere normle linke Politik ein, die natürlich sinnvolle staatliche Eingriffe umfasst. Dass sie sich Kommunisten nennen, ist ihr privates Steckenpferd, auch wenn es zweifellos am meisten zur öffentlichen Akzeptanz der KPÖ beträgt

Der historische Kommunismus ist etwas anderes und lässt sich nicht vom Marxismus trennen, zu dem sich der neue SPÖ Chef Andreas Babler aus Privatvergnügen – sicher nicht aus Kenntnis – bekennt. Bablers Unterstützer wandten ein, dass selbst Karl Popper, Auto von “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, einst Kommunist war – aber im Jahr 1922 mit 20 Jahren, nicht wie Babler 2023 mit 50 Jahren.

1922 wusste man noch nicht vom Elend und den Verbrechen, die der Kommunismus hervorgebracht hatte. Der Journalist Arthur Köstler hatte Folter und Schauprozesse in Russland noch nicht beschrieben. Marxismus war 1922, als Karl Popper sich ihm hingab noch nicht blutbefleckt, sondern eine faszinierende ökonomische Theorie, die die überragende Bedeutung von Eigentum und Profit erstmals in den Mittelpunkt stellte. Für Popper Generation galt das Bonmot: Wer mit 20 kein Marxist war, war nicht anständig – wer es mit 50 noch immer ist, ist nicht intelligent.

Aus seiner Kenntnis des Marxismus heraus hat Popper dessen kardinale Schwächen aufgezeigt: Marx, der viele große Risiken des Kapitalismus richtig sah, vermeinte fälschlich, aus ihnen ein “ehernes Gesetz” ableiten zu können, wonach sie zwingend zum Zusammenbruch des Kapitalismus führen müssen, der wiederum mit dem Sieg des Sozialismus enden muss. Wenn dem so ist, bräuchte es keine Gewerkschaften, um den Kapitalismus zu zähmen. Marx lehnte Gewerkschaften ab und warf ihnen vor, durch “Scheinerfolge” den Zusammenbruch des Kapitalismus und den Sieg des Sozialismus hinauszuzögern. Folgerichtig gab es in kommunistischen Staaten keine Gewerkschaften, die den Kapitalismus in allen anderen Staaten in gewisse Schranken wiesen (die Gewerkschaft Solidarność entstand in Polen 1980gegen den Willen des damaligen KP-Regimes). Gleichzeitig war die Überzeugung, dass der Sozialismus siegen müsse, eine willkommene Rechtfertigung, dafür, diesem Zweifel durch Folter nachzuhelfen.

Die zweite Schwäche der Marx´schen Theorie bestand darin, dass sie zwar lehrte, der siegreiche Sozialismus bestehe in der “Vergesellschaftung der Produktionsmittel”, nicht aber, worin “Vergesellschaftung” bestehe, denn das bescherte der Kommunistischen Partei die maximale Macht. Allerdings lehrte Otto Bauer diese Auslegung. Durch “Verstaatlichung”, so spottete er, hätten statt versierter Kaufleute ahnungslose Beamte das Sagen in Unternehmen. Es ist sicher nicht Kenntnis”, die SPÖ und Babler “Verstaatlichung” dennoch für “sozialistisch” halten lässt.

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Es braucht Doskozil plus Babler

Es braucht Doskozil plus Babler

Wenn man Blau- Schwarz unter der Führung von Herbert Kickl für das Schlimmste hält, was Österreich zustoßen kann, dann ist die Aufgabe der Delegierten zum kommenden Parteitag der SPÖ klar: Sie müssen eine Führung etablieren, mit der die SPÖ genug Wähler dazu gewinnt, um eine rot-grün-pinke Mehrheit sicherzustellen, denn nur die schließt Blau-Schwarz mit Sicherheit aus. Gemessen an den aktuellen Umfragen sind das ziemlich viele Wähler, aber noch vor wenigen Monaten gab es eine klare Mehrheit der SPÖ in den Umfragen aller Institute, und in der Umfrage, die Hans Peter Doskozil vor einem Monat in Auftrag gab, schnitt sie mit ihm an der Spitze jedenfalls deutlich besser als derzeit ab. Dieses Resultat bestätigte sich auch in gleichartigen Umfragen unabhängiger Institute. Doskozil ist mit Sicherheit der beste Kanzler-Kandidat, wenn es gilt, Wähler von der FPÖ zurückzugewinnen oder sogar hin und wieder der ÖVP zu entreißen, und auch bei Unentschlossenen scheint Doskozil anzukommen: Das gute Management der Flüchtlingsflut von 2015 wird ihm auch in der Mitte gutgeschrieben. Dass Rendi- Wagners Wähler eine Doskozil-SPÖ nicht wählten, weil er sie schlecht behandelt hat, halte ich für unwahrscheinlich: Wer der SPÖ unter ihr treu blieb, ist rot geeicht. Selbst ORF-Ex-General Gerhard Zeiler, der aus der SPÖ austreten will, wenn Doskozil sie übernimmt, wählt sie vermutlich weiter, wenn es Blau-Schwarz abzuwehren gilt, denn grün oder Pink zu wählen wäre ein Nullsummenspiel, das ihr schadete, wenn es um die Beauftragung durch den Bundespräsidenten geht.

Aber auch Andreas Babler kann Wähler für die SPÖ hinzugewinnen. Mit Sicherheit ist er der Beste, wenn es darum geht, Erstwähler anzuziehen, denn er wirkt deutlich jünger als Doskozil.. Pamela Rendi-Wagners Wähler wählen ihn sicher, aber vor allem bei der großen Gruppe der Nichtwählern könnte er punkten: Dass die „KPÖ plus“ in Graz und Salzburg so erfolgreich war, zeigt, dass ein explizit linkes Programm und vor allem linkes Auftreten erstaunlich viel Resonanz erzielt. Einziges Problem: Ich glaube, dass Babler die Doskozil-Wähler und die Wähler, die die SPÖ rechts der Mitte gewinnen muss, eher abschreckt.

Mein Schluss aus dieser Analyse: Ich glaube, dass die SPÖ mit Doskozil als Kanzlerkandidat die besseren Chancen hat, dass es aber optimal wäre, wenn sie Babler in die Führung einbinden kann. Jedenfalls als Obmann-Stellvertreter, notfalls aber sogar, indem man eine Doppelspitze bestellt, Doskozil aber klar zum Kanzlerkandidaten macht. Hinter beiden stehen übrigens Männer. die wirklich etwas von Wirtschaft verstehen: Hinter Babler der Ökonom Nikolaus Kowall von der „Sektion 8“, hinter Doskozil Ex-Kanzler Christian Kern. Gemeinsam könnten die beiden ein optimales Aktionsprogramm für eine“ SPÖ plus“  entwerfen.

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Wie Putin und OPEC das Klima retten

Der Beschluss der OPEC plus Russland sorgt mehr als das Aus für Verbrenner für weniger CO2 in der Atmosphäre. Aber es gibt es einen besseren Weg zu diesem Ziel.

Dass OPEC plus Russland beschlossen haben, die Öl/Gas -Förderung neuerlich zu drosseln, stabilisiert den Öl-Preis und  lässt die ärgerliche Teuerung länger anhalten. Gleichzeitig gibt es allerdings keine Maßnahme, die den Klimawandel ähnlich wirksam bekämpfte. Denn wenn man vom Methan aus Rindermägen absieht, hängt die Erwärmung der Atmosphäre so gut wie ausschließlich davon ab, wie viel Öl/Gas wir verbrennen. Der aktuelle Beschluss der OPEC +  bedeutet, dass täglich eine Million Barrels, (159 Millionen Liter) weniger Öl gefördert und verbrannt werden. Das bremst die Erwärmung stärker als die E-Autos, die täglich mehr auf die Straße kommen. Regierte Vernunft die Politik, so würde eine solche stete Verteuerung des Öls, in sozialverträglich abgefederter Form, einvernehmlich beschlossen.

Die EU hat soeben immerhin beschlossen, den Europäischen Emissionshandel über die Industrie hinaus auch auf die Bereiche Gebäude und Verkehr auszuweiten. Zirka  85 Prozent aller europäischen CO2-Emissionen sind damit zukünftig an Emissionsrechte gebunden. Die Menge dieser Emissionszertifikate soll kontinuierlich sinken, so dass sie sich sukzessive verteuern und der entsprechende Kostendruck sollte dazu zwingen, in allen Bereichen das jeweils Kostengünstigste zu unternehmen, um diesen Ausstoß zu verringern. Die EU ist zuversichtlich, auf  diese Weise ihre Klimaziele bis 2030 und weiter bis 2050 zu erreichen. Ich glaube zwar auch, dass sie damit große, den CO2-Ausstoß vermindernde technologische Verbesserungen erreichen wird, aber auch wenn das natürlich sinnvoll ist,  zweifle ich, dass es reicht, den Klimawandel zu verhindern.

Ich teile diesbezüglich die Einwände des deutschen Ökonom Heiner Flassbeck, der  in seiner Argumentation vom eingangs beschrieben Tatbestand ausgeht: Die Erwärmung  der Atmosphäre kann nur in dem Ausmaß vermindert werden, in dem weniger Öl/Gas gefördert und damit verbrannt wird. Global ist das trotz des Pariser Klimaabkommens in keiner Weise gelungen: Die CO2 Emissionen sind vielmehr weiter gestiegen, obwohl zumindest die EU seit zwanzig Jahren Gegenmaßnahmen ergriffen hat und es den Emissionshandel der Industrie längst gibt. Dieser Misserfolg liegt daran, dass die Erwärmung eben nicht in erster Linie davon abhängt, ob in der EU weniger CO2 aus Schloten und Auspuffen kommt -wobei nicht einmal das gelungen ist, aber vielleicht in Zukunft gelingen könnte – sondern ob weltweit weniger CO2 emittiert wird. Und diesbezüglich, so meint Flassbeck, unterliege man in der EU einem Denkfehler: Dass in der EU weniger Öl verbrannt wird, bedeute nämlich in keiner Weise, dass auch weltweit weniger Öl verbrannt würde. Vielmehr würde jeder Liter Öl, den die EU nicht kauft und verbrennt, sofort von Indien, China oder irgendeinem Entwicklungsland gekauft und verbrannt, um sich unserem Lebensstandard anzunähern. Das sei ökonomisch unvermeidlich und bedeute: Was immer wir weniger verbrennen, verbrennen andere mehr. “Nur wenn man sich das eingesteht”, meint Flassbeck, “kann es gelingen, ganz andere internationale Vereinbarungen zu treffen, bei denen die Produzenten fossiler Energieträger von Anfang an mit an Bord sind und eine kontinuierliche Reduktion der Förderung festgeschrieben wird. Nur ein solches globales Abkommen kann den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sich alle erfolgreich anpassen können.”

Ich halte diese Einbindung der OPEC-Produzenten, voran Saudi Arabiens und der Golfstaaten nicht nur für notwendig, sondern auch für möglich. Durch Jahrzehnte haben sie sich nämlich der Forderung der USA nach einem niedrigeren Ölpreis gebeugt, um sich deren Waffenhilfe zu sichern    umso mehr sollten sie eine Vereinbarung akzeptieren, die ihnen zugesteht, den Ölpreis in einem festgesetzten Rhythmus und Ausmaß kontinuierlich zu erhöhen und damit  länger von ihrem Öl zu profitieren. Zwar unternimmt Joe Bidens  derzeit leider das Gegenteil: Aus Angst, dass die Teuerung ihn 2024 die Wahlen kostet, versuchte er – erfolglos – die  Saudis zur Rücknahme ihres Beschlusses zur Förderkürzung zu bewegen. Aber statt dass die EU sich von ähnlichen Ängsten leiten lässt, sollte sie die Führungsrolle übernehmen und Biden überzeugen, dass die zitierte Einigung mit der OPEC der bessere Weg ist, weil er zu messbaren Erfolgen im Kampf gegen den Klimawandel führen wird, mit denen alle Beteiligten bei den Wählern punkten können. Das Richtige – die kontinuierliche Verteuerung des Öls durch kontinuierliche Reduktion der Förderung  – kann nur geschehen, wenn alle Beteiligten begreifen, dass sie zu ihrem Vorteil ist, indem sie den Planeten schützt. Am Schwersten ist dieses Begreifen für die breite Bevölkerung: Sie wird die Verteuerung des Öls nur akzeptieren, wen sie sozialverträglich erfolgt. Dazu müssen die Regierungen über einen neoliberalen Schatten springen: Sie müssen die Steuern auf Arbeit in dem Ausmaß senken, in dem sie die Steuern auf Vermögen erhöhen. Man wird um den Abbau der gewaltigen Differenz zwischen Arm und Reich nicht herumkommen, wenn man die Zukunft lebenswert gestalten will.

Gleichzeitig könnte die EU, wenn sie begreift, dass ihr Bemühen, weniger Öl zu verbrennen, nicht linear dazu führt, dass weltweit weniger Öl verbrannt wird, zu einer weniger hektischen Anpassung unseres Öl/Gas -Verbrauchs kommen. Denn Menschen, die damit finanziell massiv überfordert sind,  sind sonst auch im Begreifen der notwendigen Verteuerung überfordert.

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Emmanuel Macrons unlösbare Aufgabe

Die Wut gegen Frankreichs Präsidenten entlädt sich aus einem absurden Grund. Frankreichs eigentliches wirtschaftliches Problem kann er beim besten Willen nicht lösen.

Dass man das Pensionsantrittsalter etwas erhöhen muss, wenn die Lebenserwartung dramatisch steigt, scheint relativ einsichtig. Dass die Anhebung von 62 auf 64 Jahre in Frankreich seit Monaten zu Straßenschlachten führt, hat einen simplen Grund: Nach Frankreichs Rechter, die sich Marine Le Pen als Präsidentin wünscht, wollen auch Frankreichs Sozialisten, aus deren Reihen er kommt, nichts mehr von Emmanuel Macron  wissen. Selbst dass er Frankreichs Größe (Grandeur) im Gespräch hält – bei seinem jüngsten Chinabesuch erklärte er, dass die Franzosen nicht daran dächten, die Taiwan – Politik der USA wie Vasallen zu kopieren- stieß zu Hause auf kleinliche Kritik: Es sei vielleicht ganz gut, dass die USA Taiwan schützen wollten.

Dennoch ist die Weltpolitik den Männern und Frauen auf der Straße reichlich egal. Sie demonstrieren gegen zwei Jahre weniger Pension, weil sie das Gefühl haben, dass ihr ohnehin geringer Wohlstand einmal mehr beschnitten wird. Die Überlegung, dass die massiv gestiegene Lebenserwartung rechnerisch nichts anderes zulässt, ist diesem Gefühl nicht gewachsen. Die Franzosen wollen, dass es ihnen besser, statt schlechter geht und sie können den wirtschaftlichen Zustand ihres Landes nicht nur aus Zahlen ablesen, sondern erleben ihn täglich: Die Arbeitslosigkeit liegt noch immer bei 7,1 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit verharrt bei 17,4 Prozent – in Deutschland gibt es ganz drei Prozent Arbeitslose.

Es war die Hoffnung, dass Macron diesen wirtschaftlichen Zustand grundlegend verändern würde, die seiner inhomogenen “Bewegung” 2017 als Partei “En Marche” eine satte parlamentarische Mehrheit bescherte. Er setzte zwar durch, dass die Abfertigung Gekündigter nicht mehr so hoch ist, dass sie in Wirklichkeit Anstellungen verhindert und dass Eisenbahner nicht mehr mit 54 in Pension gehen dürfen, aber besser geht es den Franzosen nicht. Zuletzt war die zerstrittene Regierung nicht einmal mehr in der Lage, auch nur den Beschluss zur dringenden Anhebung des Pensionsalters zu fassen. Für diesen Fall kennt das französische Präsidialsystem die Möglichkeit des Präsidenten, sein Anliegen mit einer Art Notverordnung durchzusetzen und wie viele Präsidenten vor ihm machte Macron davon Gebrauch – was die Stimmung freilich noch mehr anheizte. Die Opposition focht die Verordnung an, aber die neun Verfassungsrichter, durchwegs ranghohe Ex- Politiker, beurteilten die Anhebung als verfassungskonform. Macron hat scheinbar einen klaren Sieg errungen.

Aber der Schein trügt. Die Unruhen dauern an; die Gewerkschaften haben Macron den totalen Krieg erklärt; er hat keine Mehrheit mehr im Parlament. Niemand weiß, wie er bis 2027 etwas weiterbringen soll. In deutschen Zeitungen kann man zutreffend lesen, woran Frankreich krankt: An der Weigerung so vieler Franzosen, strukturelle Reformen zu akzeptieren; an den zu starken Gewerkschaften; am zu großen Anteil der Landwirtschaft am BIP; an der zu geringen Bereitschaft einer abgehobenen Elite, sich mit den Problemen des kleinen Mannes zu befassen und Schonung der Elite vor Strafverfahren wegen Korruption.

Aber trotz all dieser traditionellen Schwächen wies Frankreich noch 2005 ein reales, kaufkraftbereinigtes BIP pro Kopf aus, das mit 36.703 USD nur um 1.198 USD unter dem deutschen von 37. 901 USD lag. Denn Frankreich besitzt gute, große Unternehmen, seine Klein- und Mittelbetriebe sind zwar schwächer als die deutschen, aber dafür hat es eine große konjunkturunabhängige Luxusindustrie und sind seine Banken weit stärker als deutsche Geldinstitute. Es hat gute Patente, sehr gute Schulen und sehr gute Universitäten. Aber während Deutschland sein BIP/Kopf bis 2017 auf 45.229 USD steigerte, legte das Frankreichs nur mehr auf 38.605 USD zu. Aus einem Abstand von rund 1.200 USD zu Gunsten Deutschlands im Jahr 2005 war 2017 einer von 6.000 USD geworden, der heute auf 7.400 USD weiter gestiegen ist.

Der so dramatisch vergrößerte Abstand hat zwar mehrere Gründe, aber  einen zweifelsfreien Hauptgrund, über den Deutschlands Medien kein Wort verlieren: Während Frankreich seine Löhne wie durch Jahrzehnte üblich, jedes Jahr um den Produktivitätszuwachs plus Inflation erhöhte und damit die in der EU vereinbarte Ziel-Inflation von 1,9 Prozent einhielt, übt Deutschland seit 2000 “Lohnzurückhaltung”. Daher die Reallohn Verluste vieler deutscher Arbeitnehmer – daher der gewaltige Konkurrenz-Vorteil der mit immer weniger Lohnkosten belasteten deutschen Waren, der sich gegenüber Frankreich zu einem Lohnstückkosten-Vorsprung von 20 Prozent addierte. Entsprechend massiv mussten französische Unternehmen in der EU, in Russland, in den USA oder in Südamerika Marktanteile an deutsche Unternehmen verlieren; mit Deutschland selbst wuchs  Frankreichs Handelsbilanz-Defizit um den Faktor 30.

Frankreichs Möglichkeit, Deutschland die verlorenen Marktanteile wieder abzujagen, ist eine rein theoretische. Denn  dazu müssten Frankreichs Unternehmen die deutschen Preise unterbieten, das heißt ihr Lohnniveau um mehr als 20 Prozent senken. Das provozierte selbst in Ansätzen eine Revolte, neben der die aktuellen Unruhen lächerlich sind. Zugleich verminderte es Frankreichs Inlands-Kaufkraft, die seine Inlands- Konjunktur aufrecht hält, derart, dass sie zusammenbräche. Aber ich soll nicht ständig wiederholen, warum ich in Deutschlands wirtschaftlichem Verhalten die größte Gefahr für die EU sehe.

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Das demagogische Phänomen Herbert Kickl

 Der FPÖ-Chef ist Joseph Goebbels zwar sicher nicht als Verbrecher aber als Demagoge ebenbürtig. Die von ihm bei Corona erreichte Schuld-Umkehr ist einzigartig.

 Dass Juristen meinen, die Rückzahlung rechtswidriger Corona-Strafen seitens der NÖ-Landesregierung sei nicht möglich, weil der Bund für diese Strafen zuständig ist, sollte dazu führen, die Idee Udo Landbauers mit einem Bundesgesetz umzusetzen: jede Fehlleistung, die Österreich im Rahmen der Pandemie zum Schaden gereichte, muss abgegolten werden. Am besten indem die schuldigen politischen Funktionäre mit ihrem Vermögen haften. Die Finanzprokuratur könnte diese Haftung wahrnehmen und sofort ein Verfahren gegen Herbert Kickl & Co anstrengen, hat deren Agitation doch entscheidend dazu beigetragen, dass Österreichs Covid-19 Impfquote weit hinter den Möglichkeiten zurückgeblieben ist und gereicht uns das derzeit doch massiv zum Schaden: Im März 2023 verzeichnete Österreich mit wöchentlich 389 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner die weltweit höchste Infektionsrate – in “Die Zeit”, die solche Daten jeweils graphisch wiedergibt, sind wir das einzige dunkelrot eingezeichnete Land des Erdballs. Zum Vergleich: Die nächsthöhere Wocheninzidenz verzeichnet Deutschland mit 44 Infektionen, wobei das auch dort einer dürftigen Impfquote entspricht, während dass massiv geimpfte Spanien nur 15,2 Neuinfektionen beklagt. Neben der niedrigen Impfquote hat an unserer hohen Inzidenz natürlich auch Anteil, dass selbst Gesundheitsminister Johannes Rauch die Pandemie so ausdrücklich als beendet erklärt hat, so dass niemand mehr Masken trägt, während Spanier sie vielfach weiterhin tragen und man ohne sie nicht im Autobus fahren darf. Aber auch dieser abrupte demonstrative Schlussstrich ist der Agitation Kickls zu danken. Zwar ist Infektionsrate 389 pro Woche nicht mit Spitalsaufenthalt und Fernbleiben von der Arbeit gleichzusetzen, aber die entsprechenden Prozentsätze lassen sich leicht ermitteln und damit auch der finanzielle Schaden, der Österreichs Spitälern und Unternehmen täglich erwächst. Die Prokuratur könnte ihn bei Kickl schon in wenigen Monaten geltend machen.

Am besten wäre das nicht nur Spaß sondern es gäbe Gesetze, die massiv gesundheitsgefährdende Agitation erschweren. Das Phantastische an der österreichischen Wirklichkeit des Jahres 2023 besteht darin, dass es Kickl gelungen ist, eine Stimmung zu schaffen, in der sich Gesundheitsminister und Sachverständige für ihr “Versagen” entschuldigen sollen, damit die FPÖ zur Versöhnung bereit ist – ich glaube wirklich, dass Ähnliches allenfalls Joseph Goebbels gelungen wäre.

Kickl hat immer die Slogans erdacht, mit denen H.C. Strache und Jörg Haider Furore gemacht haben und nun weiß man, dass er sie auch genau so gut vorträgt:”Pummerin statt Muezin” und jetzt “Die Regierung treibt die Corona Apartheit auf die Spitze” verkürzen und verdichten auf brillante Weise die Animosität, mit der Teile der Bevölkerung auf eine für sie neue Herausforderung reagieren, brachte die Pandemie doch besonders viel Unangenehmes mit sich – da ist es besonders angenehm, “denen da oben” die Schuld dafür zu geben. Ein Problem besteht darin, dass es auf Seiten der SPÖ, ÖVP, NEOS und Grünen niemanden gibt, der Richtiges ähnlich brillant zu formulieren vermag.

Ein zweites Problem ist die außergewöhnliche Wissenschaftsfeindlichkeit von Österreichern wie Deutschen, über deren gemeinsame Wurzel man unter alternativen Grünen nachdenken sollte, denn es haben bekanntlich erstaunlich viele von Ihnen an den Corona-Protesten teilgenommen, zu denen FPÖ und AfD aufgerufen haben. Beiden Parteien kam dabei zugute, dass Krankheit und Impfung mit besonders viel Emotion verbunden sind. Zur nationalen Rechten zählt man sich einer überlegenden Rasse zu, deren mythische Helden wie Siegfried fast unverletzlich waren. Dazu passt die Argumentation, dass die natürlichen Abwehrkräfte völlig reichten, das Virus in Schach zu halten. Aber erstaunlich viele alternative Grüne glauben sich dem Rest der Bevölkerung ebenso überlegen, indem sie “wissen”, dass es abseits „scheinrationaler“ wissenschaftlicher Erkenntnisse, „spirituelle Kraftfelder” gibt – in Wien wurden an einen Esoteriker bekanntlich 95.000 Euro bezahlt, damit er das Klinikum Nord mit einem “Energie-Schutzring” umgibt. Esoterik hat nationalsozialistische Tradition: Der „Völkische Beobachter” war eine Zeitung, die der „Esoterik“ huldigte, ehe ihr „völkisches” Fühlen zum wichtigsten Inhalt wurde. Esoteriker, die das „Natürliche“ allem „Künstlichem”, von Menschen Geschaffenem vorziehen, idealisieren die Natur, die in ihren Augen nur Gutes schafft – entsprechend schwer fällt ihnen, das von ihr auch geschaffene Virus zu bekämpfen, befürwortet doch ein Reihe von ihnen „natürliche Erkrankungen“ sogar als Erweiterung des Bewusstseins.

Dass die Impfstoffe von Moderna und Pfizer/Biontech „gentechnisch” hergestellt werden, musste zur extremen Rechten wie zur grün-alternativen Linken besonders irritieren, legt man dort doch den größten Wert auf „Gentechnikfreiheit“ – bei keinem Nahrungsmittel darf dieser Hinweis fehlen. In Wirklichkeit ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Pflanze oder ein Virus in der Natur auf eine für Menschen gefährliche Weise mutiert, ungleich größer, als dass das bei einer gentechnischen Unternehmung geschieht, denn mit der “Genschere” können Biologen ungleich genauer ins Genom eingreifen, als das “natürlich” durch Sonneneinstrahlung oder Blitzschlag geschieht. Aber ich warte schon auf die entsprechenden empörten Leserbriefe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Der billige Mythos Neutralität

Neutralität hat noch kein Land vor Krieg bewahrt – nicht einmal die Schweiz. Trotzdem gibt sie das x-fache Österreichs für ihre Armee aus. Trittbrettfahren ist billiger

Dass Beate Meinl Reisinger Kanzler Karl Nehammer vorwarf, den Kopf in den Sand zu stecken, indem er jede Debatte über Österreichs Sicherheit mit dem Hinweis auf die Neutralität abwürgt, kann die NEOS nur Stimmen kosten. Denn die Neutralität ist eine heilige Kuh, die Nehammer auch sogleich fütterte: „Die Neutralität war und ist hilfreich für die Republik Österreich und sie bleibt hilfreich!“

1997 sah das selbst die ÖVP anders, obwohl Russland damals niemanden überfallen hatte: „Es

habe sich gezeigt“, beschloss ihr Bundesparteivorstand „dass die europäische Sicherheit… vor allem in der neuen NATO entwickelt wird“…. Deshalb solle Österreich „der neuen NATO beitreten“.

Diese klare Formulierung schwächte Wolfgang Schüssel als Chef einer schwarz-blauen Koalition erst in der Regierungserklärung zum Konjunktiv ab, nachdem er Meinungsumfragen gelesen hatte. Obwohl der NATO-Beitritt damals auch Ziel der FPÖ war, deren Obmann Herbert Kickl sich heute entrüstet, dass die Regierung die Neutralität durch ihre Kritik an Russland gefährdet.

Nicht einmal die SPÖ war ihrer Ablehnung der NATO immer so konsequent wie ihr Klubobmann Heinz Fischer. 1993 konnte sich Kanzler Franz Vranitzky vorstellen, dass sich die Neutralität „als überflüssig und überholt erweisen könnte, wenn ein kollektives Europäisches Sicherheitssystem zustande kommen sollte“, und 1997 antwortete SP-Kanzler Viktor Klima im Standard auf die Frage, ob er sich eine NATO -Mitgliedschaft vorstellen könne: „Wenn wir ein europäisches Sicherheitssystem haben… warum sollten wir das dann nicht tun?“

Wolfgang Schüssel musste sich also nicht so völlig isoliert fühlen, wenn er eine NATO-Mitgliedschaft anstrebte.

Aber so einig alle Unterhändler des Staatsvertrags, von Leopold Figl über Bruno Kreisky bis zu Julius Raab darin waren, dass die Neutralität eine massive Einschränkung der Souveränität darstellt, so eindeutig sieht der heutige Souverän darin etwas, das uns auszeichnet. Zum einen, weil jedes Land sich besonders und ausgezeichnet sehen will, was umso leichter fiel, als die Neutralität  uns unter so beneidenswerte Länder wie die Schweiz und Schweden reihte, zum anderen, weil mit  Staatsvertrag und Neutralität Österreichs unglaublicher wirtschaftlicher Aufstieg einsetzte und man meint, dass auch sie daran Teil gehabt hätte, obwohl sie ihn etwas bremste:  Sehr vorsichtige Investoren  investierten lieber in NATO-Ländern.

Dafür erfüllte Bruno Kreisky die Neutralität mit Glanz: Er sah uns = ihn durch sie zum Schiedsrichter berufen: Währende Schwedens Olof Palme die USA kritisierte, kritisierte er ebenso neutralitätswidrig die UdSSR.

Der Frage, ob Neutralität tatsächlich vor Krieg schützt, trat neben soviel Glanz in den Hintergrund: Hitlers Wehrmacht hat mit Luxemburg, Belgien Holland, Dänemark und Norwegen einen neutralen Staat nach dem anderen überfallen, ohne dass dessen Neutralität das geringste Hindernis gewesen wäre, und Russland überfiel das neutrale Finnland. Dass die Schweiz verschont blieb lag ausschließlich daran, dass Hitler den Plan General Guderians, über die angeblich nicht panzergängigen belgischen Ardennnen statt über die Schweiz nach Frankreich vorzustoßen, für den besten hielt.

Schweden wiederum war militärisch ungemein stark: In Deutschland wusste man, dass seine Armee immer locker imstand sein würde, am Ende auch die eigene Stahlerzeugung zu zerstören. Ein Angriff auf Schweden hätte bedeutet, dass es keinen Stahl mehr geliefert hätte – darauf konnte Deutschland es nicht ankommen lassen. Mit seiner Neutralität hatte Schwedens Schonung so wenig wie die der Schweiz zu tun.   

Falsch ist aber auch die Behauptung, dass Österreich in der Vergangenheit durch seine Neutralität geschützt war. In kritischen Situationen, etwa im „Prager Frühling“ versicherte sich die Regierung immer in den USA, dass die Nato Österreich, anders als heute die Ukraine, verteidigen würde und das wusste man im Kreml. Dennoch gab es unter russischen Militärs gelegentlich Planspiele, die sich erstaunlich intensiv mit Österreich befassten. Das wichtigste davon war die Aktion „Polarka“, die davon ausging, dass die UdSSR das abtrünnige Jugoslawien Titos zur Ordnung ruft und dass Österreich bei dieser Gelegenheit „seine Neutralität missachtet“, was der UdSSR „zwingt“, einen gravierenden Fehler Nikita Chruschtschows wieder gut zu machen. Nach glaubwürdigen Aussagen hat Marschall Gregori Schukow dieses Planspiel sehr ernst genommen, aber Chruschtschow sei der Stärkere gewesen.

Was wurde aus den vielen hier angeführten Neutralen? Alle sind heute NATO–Mitglieder oder wollen es wie Schweden und Finnland werden. Alle begründen das mit ihrer Erfahrung.

Österreich müsste also starke Gründe haben, warum es der NATO fernbleibt. Der wirksamste ist der Umstand, dass der Beitritt Geld in Form massiver Aufrüstung kostete. Vor allem aber können sich die Österreicher nach wie vor relativ sicher fühlen, sind sie doch von der waffenstarrenden Schweiz und lauter NATO- Staaten umgeben. Trittbrettfahren ist also ungleich billiger. Stellt sich die Frage, warum es nicht alle Staaten wie Österreich machen? Die rationale Antwort lautet: Weil das System dann implodierte und Putin demnächst Europa beherrschte. Die moralische Antwort wollen wir nicht hören: „neutral“ ist ein Mann, der sieht, wie jemand einen anderen mit Füßen gegen den Kopf tritt und vorbeigeht, weil er sich entschlossen hat, sich nie einzumengen.

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Kann man von Angegriffenen Frieden fordern?

Deutsche Intellektuelle fordern von Olaf Scholz “die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt!“  Putin begrüßt das so sicher, wie es die Ukrainer ablehnen.

Alice Schwarzer hat zum zweiten Mal, diesmal gemeinsam mit der Galionsfigur der „Linken“ Sarah Wagenknecht, ein Schreiben zum Ukrainekrieg verfasst. Unterschrieben hat auch diesmal eine Reihe höchst achtbarer deutscher Intellektueller. Das „Manifest für den Frieden“ enthält einen unbestreitbar richtigen Satz: „Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität.“ Danach kommt eine kühne Behauptung: „Die Ukraine kann zwar – unterstützt durch den Westen- einzelne Schlachten gewinnen. Aber sie kann gegen die größte Atommacht der Welt keinen Krieg gewinnen. Das sagt auch der höchste Militär der USA, General Milley.“ Aber auch wenn er das sagt, stimmt es nicht: Eben erst hat die Atommacht USA in Afghanistan den Krieg gegen die Taliban verloren und 1968 verlor die Atommacht Sowjetunion dort den Krieg gegen die Mudschaheddin, die von den USA mit Waffen unterstützt wurden.

Ausgeschlossen ist ein Sieg der Ukraine gegen die Atommacht Russland also nicht und ich würde sogar so weit gehen, einen Sieg Russlands über die Ukraine auszuschießen, solange der Westen ihr Waffen liefert: Eine Armee die für die Freiheit ihres Landes kämpft, kämpft nun einmal ungleich besser, als eine Armee, die kaum begreift, warum sie in dieses Land entsendet wurde..

Allerdings ist Afghanistan nach zwei „Siegen“ ein restlos zerstörtes Land und wie Schwarzer ersparte ich das der Ukrainer lieber. Nur maße ich mir nicht an, an Stelle  Wolodymyr Selenskyjs zu entscheiden, was die Ukrainer wollen – endlich Frieden, oder Gerechtigkeit bis hin zur Rückeroberung der Krim.

Der Militäranalytiker Walter Feichtinger  

hat im ZIB2 -Gespräch mit dem Mitunterzeichner des Manifests, Hajo Funke, gemeint, dass die Ukrainer laut Meinungsumfrage zu 85 Prozent weiterkämpfen wollen. Ich halte Umfragen in Zeiten des Krieges zwar für höchst problematisch – welcher Soldat gibt schon zu, dass er nicht mehr kämpfen will – aber wir haben nur diese Umfragen und Selenskyjs Aussagen. Die sieht das Manifest denkbar kritisch: „Präsident Selenskyj macht aus seinem Ziel kein Geheimnis: Nach zugesagten Panzern fordert er jetzt auch Kampfjets, um Russland auf ganzer Linie zu besiegen.“ Meines Wissens fordert er nicht „ Russland zu besiegen“ sondern nur Putins vollen Rückzug aus der Ukraine, und mir fehlt im „Manifest“ die Klarstellung, dass ihm das eigentlich zusteht – Putin hat in der Ukraine nichts zu suchen.

Trotzdem – und darin bin ich mit dem Manifest einig – wird der volle Rückzug Putins kaum zu erreichen sein, weil tatsächlich die Gefahr besteht, dass er, ehe er eine solche volle Niederlage akzeptiert, Atomwaffen einsetzt. Ich halte das zwar für unwahrscheinlich, weil es sein und Russland Ende wäre, aber das Risiko, mich in dieser Einschätzung zu irren, ist mir wie Joe Biden zu groß.

Insofern – und da treffe ich mich mit dem Manifest- glaube auch ich, dass es zu Friedensverhandlungen kommen sollte, ehe man diesen kritischen Punkt erreicht. Vermutlich differiere ich mit Schwarzer auch nicht in der Frage, wie ein Frieden aussehen muss, der Chancen darauf hat, von Putin akzeptiert zu werden: Selenkyj müsste auf die Krim verzichten und sich im für ihn günstigsten Fall mit neuerlichen Abstimmungen in Lugansk und Donezk zufriedengeben.

Im Gegensatz zu Schwarzer glaube ich, dass Selenskyj das auch weiß und in jedenfalls wird er sich dem Rat Bidens fügen müssen, der ihm sicher nur bis zu einem solchen Verhandlungsfrieden Munition liefert.

Völlig unterschiedlicher Meinung mit Schwarzer bin ich nur in der Frage, wie man Friedensverhandlungen am ehesten erreicht. Laut Manifest sollte Kanzler Olaf Scholz „sich jetzt …an die Spitze einer starken Allianz für einen Waffenstillstand und für Friedensverhandlungen setzen“. Freilich erst, nachdem er die entscheidende Forderung des Manifests erfüllt hat: „Wir fordern den Bundeskanzler auf, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen. Jetzt!“

Ich behaupte: In der Sekunde in der Scholz auch nur andeutete, die Eskalation der Waffenlieferungen zu stoppen, wäre jeder realistisch Chance auf erfolgreiche Friedensverhandlungen dahin, denn Wladimir Putin wäre endlich sicher, diesen Krieg zu gewinnen.

Brigadier Feichtinger hat in der angeführten Diskussion ausgeführt, dass er den Zeitpunkt für Verhandlungen noch nicht gekommen sieht, weil beide Seiten noch nicht sähen, dass sie ihre militärische Position nicht mehr verbessern können. Ich teile diese Ansicht. Man muss nicht so sehr darauf warten, dass Selenskyj durchblicken lässt, dass er zu einem Kompromissfrieden bereit ist, sondern man muss darauf warten, dass Putin die Bereitschaft zum Rückzug aus er Restukraine erkennen lässt. Bisher verschärft er seine Angriffe und bereitet eine Offensive vor.

Putins Bereitschaft zum Kompromiss erreicht man nicht, indem man Waffenlieferungen „stoppt“, sondern indem man sie ganz im Gegenteil massiv forciert: Putin muss ernsthafte fürchten, dass sich seine militärische Situation verschlechtern könnte. Man kann zugleich mit der Ankündigung eskalierender Waffenlieferung auf Friedensverhandlungen drängen – nicht sie stoppen und dann auf Verhandlungen hoffen.

Schwarzer und Wagenknecht sollte nicht nur in ihrem Manifest formulieren, dass Russland die Ukraine „brutal überfallen“ hat, sondern in Putin tatsächlich den Gangster sehen, der er ist. Gangster verstehen nur die Sprache einer großen Zahl überlegener Waffen.

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Die Leiden der Technik unter der Emotion

Kann Kernenergie grün sein? Können E-Autos das CO2 -Problems verschärfen? Kann Technik den Klimawandel am besten bekämpfen? Die Schwierigkeit, es sachlich zu diskutieren.

Wenn man Österreichs Krieg gegen Kernkraft für verfehlt hält, weiß man, dass man auf heftigsten sachlichen wie emotionalen Widerstand trifft. „Die Enttäuschung, dass der anlassgebende Beitrag redaktionell freigegeben wurde ist groß“, schrieb Falter-Leserin Christa Wieland an Florian Klenk. Ich muss hoffen, dass man auch in der Vielfalt redaktioneller Information einen Wert sehen kann: Texte, wonach Kernkraft gefährlich und unwirtschaftlich sei, sind so zahlreich, dass es erlaubt sein sollte, einmal auch die Argumente vorzubringen, die Hannes Androsch, Science Buster Werner Gruber, die EU- Kommission oder mich die Kernkraft nicht abschreiben lassen, seit gesichert ist, dass man ihren strahlenden Müll zu tragbaren Kosten endlagern kann, indem man ihn mit Neutronen beschießt.

Zu meinem Erstaunen bin ich auf vergleichbar emotionalen Widerstand gestoßen, als ich argumentierte, dass Technik den Klimawandel erfolgreicher bekämpfe, als „systemische Veränderung“.  Solarparks auf einem Hundertstel der Fläche der Sahara, so schrieb ich, könnten mehr CO2 vermeiden, als Energiesparappelle.

„Alle paar Wochen“, entgegnet Falter -Leser Jürgen Gehbert, „öffnet uns P.M. Lingens ein Schaufenster ins letzte Jahrtausend, als man gemeinhin noch dachte, Technologien könnten die Klimamisere ohne Notwendigkeit für systemische Veränderung lösen…Bei den meisten Menschen in der Energiebranche verursacht das höchstens Kopfschütteln… Trotz des Glaubens an neue Technologien bezweifelt er… dass ein E-Auto seinen CO2-Ausstoß senken könnte. Na ja, was will man da noch sagen?“

Statt etwas zu sagen zitiere ich Georg Brasseur, emeritierter Professor für elektrische Messtechnik der TU Graz: „Woher sollen wir genug Strom nehmen, um E-Autos sinnvoll zu betreiben? Es ist unverantwortlich von der Politik ein System durchsetzen zu wollen, von dem klar ist, dass es bei Vollausbau nicht funktionieren kann, da mehr Stromverbraucher ans Netz kommen, als grüne Kraftwerke gebaut werden“.

Bei der zentralen Frage, ob Technik mehr bringe, als systemischer Wandel vertiefte Falter-Leser Alexander Tillinger Gehberts Kritik an meiner Sicht so „Merken Sie denn nicht, dass Sie technisch und ökologisch in einem vergangenen Jahrhundert leben? Woran erkennt man Verbohrtheit? Daran, dass der Betroffene es selbst nicht merkt. Tragisch.“

Mittlerweile führen Tillinger und ich eine gewinnbringende sachliche Auseinandersetzung zu dieser Frage. So wusste ich, als ich meinen Text schrieb, nicht, dass es das Sahara-Projekt, das ich vorschlug bereits gibt und dass es unter dem Namen „Desertec“ beinahe verwirklicht worden wäre. Siemens -Ingenieure hatten nicht anders als ich errechnet, dass ein Solarpark auf einem Hundertstel der Fläche der Sahara genügend Energie für den ganzen Erdball liefern könnte. Die Anlage sollte in Tunesien errichtet werden und über ein Kabel durchs Mittelmeer Strom an Europa liefern.

Tillinger kannte das Projekt und wusste, warum es aufgegeben wurde. Den letzten Stoß versetzte ihm ein tunesischer Polit-Aktivist, der erklärte, dass es „kolonialer Ausbeutung“ diene – Tunesien solle Europa Strom liefern und nichts davon haben – doch Siemens bestreitet das glaubwürdig, denn der gemeinsame Vorteil ist evident. Entscheidend war vielmehr zweifellos, dass sich in Europa zum errechneten Preis nicht genügend Abnehmer für den Wüsten-Strom fanden.

Tillinger und mein Kollege Erwin Iwaniewicz nannten mir dafür gute Gründe: Es sei nicht mehr richtig, dass Großkraftwerke sich am besten eigneten, grüne Energie zu liefern, denn es entstünden zu große Verluste bei ihrem Transport an die Stelle, wo sie gebraucht wird. Zugleich wären Solarpanele so effizient und preiswert, dass es günstiger sei, sie vor Ort zu installieren. Zudem wären dezentrale grüne Stromquellen sicher vor militärischen Angriffen.

In Summe hätte mich das um ein Haar überzeugt, dass Wüstenstrom tatsächlich von gestern ist, wenn Professor Brasseur nicht behauptete: „Grüne Energie sollte dort hergestellt werden, wo sie gut geerntet werden kann. Die gleichen Solarzellen erzeugen in Nordafrika bei gleichem Ressourceneinsatz zwei bis dreimal soviel Energie wie in Mitteleuropa.“

Davon geht der Brite Simon Morish aus, dessen Firma Xlinks derzeit in Marokko auf 15.000 km2 einen Solarpark errichtet, der grünen Strom nicht mehr wie Siemens mit Parabolspiegeln, sondern mit Solarpanelen erzeugt und ab 2028 an Großbritannien liefern soll. Marokko hat Xlinks die dafür benötigte Fläche verpachtet, obwohl kein Strom nach Marokko fließt, denn es hat genügend eigene Solarparks und freut sich über die von Morish geschaffenen Jobs. Die Megawattstunde Strom soll nicht einmal ein Zehntel des für Desertec errechneten Betrages kosten und über ein neuartiges Hochspannungs-Gleichstromkabel mit minimalen Verlusten acht Prozent des britischen  Bedarfs decken.

Das diesbezüglich führende Frauenhofer Institut für Solare Energiesysteme hält das Projekt für erfolgversprechend, statt es dem vergangenen Jahrhundert zuzuordnen. Für das aktuelle Jahrhundert erhoffe ich daher ein gleichermaßen von weltpolitischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen geformtes, maximal ergiebiges Nebeneinander von Wüsten-Solarparks, Windparks im Meer, Kernkraft und lokalen Solarpanelen und Windrädern. Die jeweils verwirklichte Lösung wird immer eine technische sein – aber es bedarf vermutlich eines systemischen Wandels, sie sachlich zu diskutieren.

 

 

 

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Die Teichtmeister-Tragödie

Auch das bloße Herunterladen kinderpornografischen Materials wird zu Recht mit Gefängnis bis zu drei Jahren geahndet, weil es dieser Konsum ist, auf dessen Basis Kinderpornographie produziert und Kindern schwerster psychischer Schaden zugefügt wird.

Dennoch irritiert mich die Art und Weise, in der der tiefe Fall Florian Teichtmeisters medial abgehandelt wird. Der Schauspieler muss nicht nur mit einer hohen Strafe rechnen, hat er doch sogar selbst Kinder fotografiert und nicht weniger als 58.000 Dateien heruntergeladen, sondern auch seine Kariere ist beendet, obwohl er darin zweifellos einen Teil seiner psychischen Probleme verarbeiten konnte.

Dass er mit seiner schweren psychischen Störung jetzt durch Tage am Prange steht, weil er prominent ist, ist wahrscheinlich unvermeidlich, aber niemand sollte sich wundern, wenn er sich umbringt. Was können Burgtheater und Filmteam für Teichtmeister? Absurd war meines Erachtens, dass man ernsthaft erwog, den Film „Corsage“ In dem Teichtmeister Kaiser Franz Joseph spielt, als Kandidaten für den Auslands-Oscar zurückzuziehen, und dass Burgtheaterintendanz und Filmteam sich immer wieder rechtfertigen müssen, Teichtmeister beschäftigt zu haben, obwohl die von ihnen vorgebrachte Erklärung denkbar glaubwürdig ist; man habe Teichtmeister abgenommen, dass der Verdacht des angeblichem Konsums von Kinderpornographie sich demnächst erledigen würde, weil ihm nur Behauptungen seiner ehemaligen Lebensgefährtin zu Grunde lägen, die sich dafür räche, dass er sie verlassen hat. Dass er das überzeugend vortrug, obwohl er vor dem U-Richter gleichzeitig ein vollständiges Geständnis ablegte, ist kein Widerspruch: Jemand, der seit Jahrzehnten gesunde Sexualität vorspielt, obwohl ihn in Wirklichkeit Kinderpornographie befriedigt, ist nicht nur auf der Bühne ein überzeugender Schauspieler.

Ich verstehe auch nicht, dass die Kinos „Corsage“ absetzen sollen oder wollen, obwohl es angeblich ein sehr guter Film ist. Franz Joseph/Teichtmeister propagiert darin ja nicht Kinderpornographie, sondern führt überzeugend eine missglückte Ehe vor. Sippenhaftung aller Kulturschaffenden, die Teichtmeister je beschäftigt haben, ist einer Kulturnation unwürdig.

PS: Nachdem ich näher Einzelheiten über den Verlauf der Affäre erfahren habe (ich bin seit einer Woche gerade n Spanien und die Informationen aus Österreich sind hier spärlich) muss ich meine oben geäußerte Ansicht teilweise korrigieren: Es gab in Theaterkreisen offenbar die Information, dass der Verdächtigung gegen Teichtmeisters nicht nur die Anzeige seiner ehemalige Freundin sondern darüber hinaus die Beschlagnahme von Datenträgern zu Grunde lag. Angeblich war sogar bekannt, dass Aufnahmen, die er selbstgemacht hatte, mit zu den Indizien gegen ihn gehörten. Das hat einige von Teichtmeisters Arbeitgebern zu Recht veranlasst, ihn trotz seines glaubwürdigen Leugnens solange nicht mehr zu beschäftigen bis das Verfahren gegen ihn eingestellt ist. Es muss also wirklich in jedem Einzelfall – sowohl bei der Intendanz des Burgtheaters wie bei den Verantwortlichen von „Corsage“ im Detail geprüft werden, wer wann wieviel wissen konnte. Die kommende Ausgabe des Falters soll entsprechende Recherchen enthalten.

„Corsage“ aufführen soll man jedenfalls trotzdem, auch wenn es keinen Oscar mehr gewinnen kann.

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Was bekämpft den Klimawandel am besten?

Technologie als Waffe im Kampf gegen den Klimawandel klingt weniger fortschrittlich als die Forderung nach systemischer Veränderung. Ist das so? Ein Versuch es zu prüfen

Meine Kommentare zu “Wasserstoff” und einem “gangbaren Ausweg aus der Klimakrise” haben einen kritischen Leserbrief provoziert, auf den ich eingehen möchte. “Alle paar Wochen”, so schrieb Ingenieur Jürgen Gebert, “öffnet uns P.M. Lingens ein Schaufenster ins letzte Jahrtausend als man gemeinhin noch dachte, Technologien könnten die Klimamisere lösen. Die Probleme mit seinen Vorstellungen einer techno-ökologisch sauberen Zukunft ohne Notwendigkeit für systemische Veränderungen:

  • Bei Menschen in der Energiebranche (wie mir) verursacht es höchstens Kopfschütteln, wenn er die Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit von Technologien völlig übertrieben darstellt. z B sind künstliche Treibstoffe (E-Fuels) so lächerlich ineffizient, dass sogar Autoklubs ihnen keine Zukunft voraussagen.
  • Trotz des Glaubens an neue Technologien bezweifelt er …dass ein E-Auto oder eine neue Therme seinen CO2-Ausstoß senken könnten. Na ja, was will man da noch sagen? Der wissenschaftliche Konsens ist halt ein anderer.”

Diese Kritik ist im Kern substanziell: Ich halte den Einsatz moderner Technologie im Kampf gegen den Klimawandel in der Tat für weit erfolgsversprechender, als “systemische Veränderung”. Daher möchte ich nur so kurz wie möglich auf Geberts Detailkritik eingehen. In Bezug auf E-Fuels schrieb ich: “Genau so wenig werde ich mein Auto hysterisch gegen ein E-Auto tauschen. Voran weil ich zweifle, dass das den CO2-Ausstoß senkt, solange der für Millionen E-Autos zusätzlich gebrauchte Strom selbst in Österreich mittels Öl, Gas und Kohle erzeugt werden muss …am Rande, weil Österreich mit AVL List ein Unternehmen besitzt, das in der Lage ist, bezahlbare künstliche Treibstoffe herzustellen…” Das Wort “bezahlbar” war in der Tat übertrieben: Lists- E-Fuels kosten derzeit das Dreifache von Benzin. Ob sie in Zukunft irrelevant sind, sehen Autoklubs offenbar unterschiedlich: “Langfristig setzt der ADAC auf E-Fuels und Wasserstoff aus regenerativen Quellen.” schrieb 2022 der deutsche Autofahrerklub. Das Industriemagazin, meint “dass E-Fuels”, in denen ich nur ein Randphänomen sehe, “früher den Ton angeben könnten, als bisher angenommen.” Die Meinung dass E- Autos den CO2 Ausstoß nicht senken, teile ich mit dem Ingenieure Kai Ruhsert, der das in dem Buch “Der Elektroauto-Schwindel” wie ich, aber mit exakten Zahlen, begründet. Bezüglich Gasthermen schrieb ich dass ich auch sie “nicht überhastete gegen eine Wärmepumpe tauschen werde”, und glaube dafür folgende Gründe zu haben: An klassizistischen Fassaden wird man Wärmepumpen nicht befestigen dürfen und auf den Dächern werden ihnen die dort erhofften Solarpanele im Weg sein. Darüber hinaus sind die Kosten trotz Subvention gewaltig, so dass ich für sinnvoller halte, die Thermen zu geringen Kosten für den Betrieb mit einem Gemisch aus Erdgas und 30 Prozent Wasserstoff zu adaptieren. Der CO2 Ausstoß wird damit zwar nur um 30 Prozent verringert, aber die Lösung ist erschwinglich. Besser kann nur überlegene Technologie das Problem lösen: Wien plant bekanntlich ein wesentlich erhöhtes Angebot von Fernwärme indem man zu ihrer Erzeugung in Großanlagen Klärschlamm und ein unter der Stadt vermutetes Reservoir heißen Wassers nutzt.

Damit bin ich beim Kern unsrer Auseinandersetzung: Meiner Überzeugung, dass Technologie den Klimawandel erfolgreicher bekämpft, als “systemischer Wandel”, obwohl ich das herrschende System wie jeder ökonomisch Interessierte, natürlich auch hinterfrage: Warum halten Geräte so schlecht, dass man sie alle 5 Jahre unter hohem CO2 Ausstoß neu produziert? Weil die Menschen das Neueste haben wollen und der CO2 -Preis es nicht entfernt verhindert! Wieso kostet CO2-intensiver Transport so wenig, dass es lohnt schwere deutsche Autos in den USA zu verkaufen? Weil der globale Freihandel so große Serien zulässt, dass sich Autos erheblich verbilligen! Warum muss die Wirtschaft jedes Jahr wachsen, obwohl unser Wohlstand auch durch bloße Akkumulation ständig wächst? Weil wir nie genug Wohlstand haben und glauben, Arbeitslosigkeit nur so in Grenzen zu halten! Nicht dass ich diese Begründungen immer für richtig halte – ich halte “systemische Änderungen” nur für extrem schwierig und langwierig.

Um es an der Reduktion des CO2-Ausstoßes der EU festzumachen: Die diesbezüglichen Fortschritte waren in dreißig Jahren groß genug, um das Ziel einer Senkung von 20 Prozent unter das Niveau von 1990 zu erreichen. Allerdings nur dank Covid-19 Lockdowns. Eine Fortsetzung des durchschnittlichen Tempos der Senkung zwischen 1990 und 2018 reicht nicht entfernt, das für 2030 angestrebte Ziel einer Reduktion um 40 Prozent zu erreichen.

Dem stelle ich gegenüber, was ich empfohlen habe und hier detailliere: man möge eine Million von 90 Millionen Quadratkilometern der Sahara zur Erzeugung grüner Stroms nutzen. Die Technologie ist erprobt. Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, über die sich die Sahara voran erstreckt sind keine düsteren Diktaturen – mit ihnen ein Viertel des erzeugten Stroms als Pacht zu vereinbaren nützt ihnen mehrfach. Die Errichtung einer solchen Photovoltaikanlage dauert auch nicht zu lang: Eine der bisher größten, der Pavagada Solar Park, wurde in Indien auf 53 Quadratkilometern in acht Monaten errichtet und leistet 2.050 Megawatt. Der aktuelle Strombedarf der Welt liegt bei 25.000 Terawattstunden. Der empfohlene Sahara- Solarpark deckte also sogar einen kräftig wachsenden Bedarf ab.

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Wenn Biden auf Trump macht

Wie sein Vorgänger will (muss) Joe Biden traditionelle Industriejobs in die USA zurückholen. Nicht zuletzt auch zu unseren Lasten. Ein Wirtschaftskrieg unter Verbündeten.

Voran die gute Nachricht: Joe Biden zählt zu den engagierten Klimaaktivisten. Es ist eines der Paradoxa der USA, dass die Amerikaner stets Vorreiter im Kampf gegen CO2 waren, obwohl sie unverändert den größten CO2-Fußabdruck der Welt hinterlassen. Schon vor Jahrzehnten erließ Kalifornien die ersten wirksamen Gesetze gegen Luftverschmutzung. US-Organisationen und Behörden deckten auf und verurteilten als Betrug, dass die Fahrzeuge von VW ungleich mehr CO2 ausstoßen, als ihnen die offiziellen Tests der EU bescheinigen, während der EUGH die dazu genutzte Software erst jetzt für “illegal” erklärte. Elon Musk hat mit Tesla den aktuellen Boom der Elektromobilität erst ausgelöst.

Wie in der EU straft die Zahl der in den USA neu zugelassenen Batterie-elektrischen Autos meine Behauptung Lügen, dass die Zukunft dem Brennstoffzellenauto gehört. Denn nicht nur Musk, sondern auch General Motors hat lange vor VW Milliarden in die Entwicklung von Batterie- Antrieben investiert – sie sind viel weiter fortgeschritten als der E-Antrieb mittels Brennstoffzelle. Und jetzt belohnt Bidens Regierung diese Investitionen, indem sie den Kauf eines E-Autos mit der für amerikanische  Verhältnisse und US-Autopreise gigantischen Summe von 7500 Dollar subventioniert. Zwar kauft im Moment nur der kleinere Teil der Neuwagen-Käufer tatsächlich ein E-Car, aber die Hälfte der Amerikaner zieht den Kauf  in Betracht. Mit massiv verschärften CO2-Normen, die ab 2026 gelten sollen, ist Biden zuversichtlich zu erreichen, dass 2030 die Hälfte aller US-Autos elektrisch fährt.

Jetzt die vorsichtige Einschränkung dieser Erfolgsstory: Auch in den USA muss der für so viele zusätzliche E-Autos benötigte Strom vorwiegend mit Hilfe kalorischer Kraftwerke erzeugt werden. Beim Aufladen einer Tesla -Batterie entsteht mehr CO2 als beim Fahren eines herkömmlichen Skoda Oktavia; die mit Abstand geringste Menge CO2 – geringer als bei allen E- Autos – entsteht beim Fahren eines herkömmlichen Renault Clio.[1]

Die so optimistische Sicht Bidens wird aber sofort verständlich, wenn man  sein Förderprogramm genauer liest:

  • unter dem irreführenden Namen “Inflation Reduction Act” kommt die 7500 Dollar Subvention für den Kauf eines E-Autos nur in Frage, wenn es in den USA endmontiert wurde.
  • die Batteriekomponenten müssen zu 50 und ab 2029 zu 100 Prozent in den USA produziert werden, um die ersten 3.750 Dollar zu erhalten.
  • und um die zweiten 3.750 Dollar zu erhalten müssen jetzt 40 Prozent und ab 2028 80 Prozent der kritischen Mineralien der Batterie aus den USA oder einem der Länder stammen, mit denen sie ein Freihandelsabkommen haben.

Einen “Wirtschaftskrieg unter Verbündeten” nennt es der Ökonom Paul Steinhardt, richtet er sich doch gegen die Autoindustrie Japans, Südkoreas und vor allem Deutschlands. Österreich ist als dessen größter Zulieferer entsprechend mitbetroffen. Allerdings ist diesem Krieg ein Angriff Deutschlands auf die US- Industrie vorangegangen, so wenig Deutsche das so sehen: Dass sie ihre Löhne seit 2000 nicht mehr im Ausmaß des Produktivitätszuwachses erhöhen, hat deutschen Autos ebenso einen unschlagbaren Kostenvorteil beschert wie der Umstand, dass der Euro dank des Austerity-Paktes gegenüber dem Dollar derart abgewertet hat, dass sich Waren der Eurozone für Amerikaner generell um ein Drittel verbilligten. 50 Milliarden Dollar Defizit der US-Handelsbilanz gegenüber Deutschland haben schon Donald Trump veranlasst, mit Zöllen auf deutsche Autos zu drohen – Joe Biden hat den hier beschriebenen Weg gewählt.

Es war immer verfehlt, Trumps Wirtschaftspolitik mit seiner faschistoiden Innenpolitik gleichzusetzen. Jeder US-Präsident musste sich irgendwann des Problems annehmen, das der globale Freihandel für die traditionelle Industrie der USA schuf: Das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber China stieg voran wegen dessen billigen Stahls auf 45 Milliarden Dollar und blieb mit 50 Milliarden gegenüber dem kleinen Deutschland das absolut wie relativ größte. Das musste die USA Millionen Arbeitsplätze in ihrer traditionellen Industrie kosten und hat deren Löhne seit 25 Jahre relativ sinken lassen. Es waren die Arbeiter dieser in eine zunehmend prekäre Lage geratenen traditionellen US-Industrie, die Donald Trump dafür wählten, dass er sie durch Zölle schützen wollte und erreichte, dass ausländische Autokonzerne ihre Filialen in den USA ansiedelten. Auch die Demokraten können diese Wähler nicht rechts liegen lassen, wenn sie 2024 gewinnen wollen: “Buy American” ist ihr Weg.

Deutsche Medien werden demnächst wieder empört erklären, dass dieses Abgehen vom globalen Freihandel eine Sünde wider aller Menschen Wohlstand sei und dass die EU Gegenmaßnahmen ergreifen müsse- etwa bei der World Trade Organisation klagen. Tatsächlich bestünde die Ideallösung nicht in Bidens Protektionismus, sondern darin, dass die boomende digitale Industrie der USA die finanziellen Probleme der traditionellen Industriearbeiter abfederte und letztlich gegenstandslos machte. Aber die deutsche Empörung wäre berechtigter, wenn Deutschland und die EU nach 22 Jahren endlich zu einer Politik fänden, die nicht die wesentlichste Ursache des aktuellen amerikanischen Protektionismus ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

[1]  Diese Vergleiche wurden für Deutschland berechnet und sind Basis des Buches “Der Elektroautoschwindel” von Kai Ruhsert. Der in den USA verfügbare Strom ist sicher nicht “grüner” als der deutsche.

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Bekämpft die Ampel die Inflation besser?

Jörg Leichtfried (SPÖ)hält die Maßnahmen von SPD, FDP und Grünen im Kampf gegen die Inflation für viel besser als die von Grünen und ÖVP. Ein Versuch das zu überprüfen

 Der Abgeordnete der SPÖ Jörg Leichtfried verwahrt sich gegen meinen Vorwurf, die oft wortgleiche Fundamentalkritik Herbert Kickls und Pamela Rendi Wagners an der Arbeit der Regierung befördere faschistoide Politikverdrossenheit und trüge zur ökonomischen Verdummung bei: “Die Lage ist dramatisch, die Regierung ratlos. Dabei zeigen andere Länder vor, wie die Inflation gedämpft, die Preise gesenkt werden können Der Regierung in Deutschland, die einen Gaspreisdeckel und Sofort-Hilfen für Unternehmen und Haushalte fixiert hat, wird man kaum ökonomische Verdummung vorwerfen.”

Zur faschistoiden Politikverdrossenheit hat das SORA -Institut für den inkriminierten Zeitraum Zahlen ermittelt: Das Vertrauen in die Regierung ist von 42 auf 33 Prozent gesunken; erstmals lehnt nur eine Minderheit (48 Prozent) einen “starken Führer” ab, “der sich nicht mehr um Parlament und Wahlen kümmert.” Nicht dass das nur an der rot-blauen Fundamentalopposition gelegen wäre – doch dass sie dazu beigetragen haben könnte, sollte Leichtfried nachdenklich stimmen.

Damit zu seiner Behauptung, dass die schlechte Leistung der im Kampf gegen die Inflation “ratlosen” Regierung den Vertrauensverlust rechtfertigt. Ich hoffe, dass man sich darauf einigen kann, dass sich die Leistung von Regierungen im Kampf gegen die Inflation nur vergleichen lässt, indem man auch vergleicht, wie die jeweilige Inflation beschaffen ist. Die mit Abstand geringste gab es im Oktober mit 3 Prozent in der Schweiz – gegenüber 11 Prozent in Österreich. Aber nicht weil die Schweizer Regierung sich jetzt so genial, sondern weil sie sich in der Vergangenheit so klug verhalten hat: sie hat die Wasserkraft maximal ausgebaut und dazu Atomkraftwerke errichtet – sie ist Energieautark. Österreich hat seine Wasserkraft weitgehend genutzt, aber etwa auf das Kraftwerk Hainburg verzichtet und sich mit Bruno Kreiskys Atomsperrvertrag von der Kernkraft entkoppelt. Die wieder ist der Hauptgrund, weshalb Frankreich, obwohl derzeit nur die Hälfte seiner Atommeiler läuft, im Oktober nur eine Inflation von 6,2 Prozent verzeichnete. Ähnlich niedrig war sie mit 7,5 Prozent in Spanien, weil es weiter preiswertes Erdgas aus Algerien bezieht, während  Österreich – nicht zuletzt auf Grund der Politik SP-geführter Regierungen – doppelt so stark wie selbst Deutschland von extrem verteuertem russischen Erdgas abhängt. So gesehen ist es erstaunlich, dass  Österreichs Inflation im Oktober mit 11 Prozent nur 0,7 Prozent über der deutschen von 10,3 Prozent lag. Auch dort ist sie übrigens wie bei uns seit August ständig gestiegen, ehe der milde November sie überall etwas sinken ließ. Ich möchte daher auf die in Deutschland angeblich so erfolgreiche “Deckelung” eingehen. Einen echten Deckel – ich hoffe darauf kann man sich einigen – gibt es nicht, denn dazu müsste man Putins Krieg und Xi Jinping Null-Covid -Politik beenden. Aber eine Regierung kann ihre finanzschwächsten Bürger durch Subventionen und Steuerermäßigungen besser oder schlechter vor Elend und sie kann ihre Wirtschaft besser oder schlechter vor einem Absturz bewahren. Der diesbezüglich erste Versuch der “Ampel” hat darin bestanden, die Steuer auf Treibstoff zu senken – mit dem Erfolg, dass dem Staat Milliarden entgingen, die der Treibstoffhandel eingesackt hat, so dass die Treibstoffpreise dennoch kaum stärker als in Österreich sanken. Ein vergleichbares Fiasko hat Österreichs Regierung vermieden.

Was den Schutz finanzschwacher Österreicher betrifft, verweise ich auf das gewerkschaftsnahe “Momentum”- Institut: Die Beträge, die Geringverdienern zugeflossen sind, waren mindestens so groß, wie die ihnen durch die Inflation erwachsenen Mehrkosten. Gleichzeitig hat Schwarz Grün vor der Ampel zwei Reformen beschlossen, die den Menschen mehr Geld in der Tasche lassen: Die kalte Progression wurde abgeschafft; vor allem aber werden zum langfristigen Vorteil Finanzschwacher Beihilfen automatisch mit der Inflation erhöht.

Die “Gaspreisbremse” der Ampel, ist umstritten: Vorerst weiß niemand, ob sie bringt was sie kostet. Genau so wenig weiß vorerst jemand, wie gut unsere Strompreisbremse – das Liefern bestimmter Stromkontingente zu einem subventionierten Festpreis – funktioniert. Der größte Fehler – dass durch “deckeln” keiner mehr Strom sparen muss – wurde jedenfalls vermieden – ob Bedürftigkeit erfolgreich berücksichtigt wurde wird sich zeigen. Der Versuch wurde jedenfalls unternommen.

 Entscheidend wird wohl sein, welche Regierung ihre Wirtschaft letztlich besser davor bewahren konnte, auf Grund verteuerter Energie einzubrechen. Für das laufende Jahr erwarten IHS und WIFO für Österreich ein BIP-Plus von rund 4,7 Prozent. In Deutschland geht die Mehrheit der Institute von 1,6 Prozent Wachstum aus, was zumindest nicht zwingend für die bessere deutsche Politik spricht.

 PS: Ich möchte meinen vorwöchigen Text über Auswege aus der Klimakrise ergänzen: Den besten Wirkungsgrad haben immer E-Motoren. Bisherige Autos subventioniert gegen Batteriebetriebene zu tauschen freut zwar die deutsche Autoindustrie, senkt den CO2 -Ausstoß aber solange nicht, als der zusätzlich benötigte Strom nicht fast nur grün erzeugt wird. Brennstoffzellen statt Batterien, wie bei Toyota brauchen allerdings grünen Wasserstoff, der derzeit noch rarer ist. Höhere Reichweite und kurzes Tanken begünstigt nur Fernlaster sicher-  bei PKWs hängt alles an der Fortentwicklung. Die warte ich ab.

 

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Türkises Ethik-Verständnis

Der Ethik-Beirat der ÖVP fand mit seiner Empfehlung Gehör, Thomas Schmid aus der
Partei auszuschießen, nachdem der gegenüber der WKStA kriminelle Aktivitäten
eingestanden hat.

Der von ihm durch dieses Geständnis zunehmend belastete Sebastian Kurz bleibt weiterhin ehrenvolles Mitglied: Dass er erwiesene Maßen alles unternahm, -“kann ich ein Bundesland aufhetzten?” -um zu verhindern, dass sein damaliger Parteiobmann Reinhold Mitterlehner einen politischen Erfolg erzielt, indem die Regierung Kern-Mitterlehner 1,2 Milliarden für die Nachmittagsbetreuung von Kindern locker macht, scheint dem Beirat hingegen kein Hindernis für VP-Mitgliedschaft. Ich warte, wann man Kurz zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit macht.

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Die gefährliche Wehrlosigkeit der EU

Frauen demolierten einen Midterm-Triumph von Trump & Co. Dennoch lebt seine Chance auf Wiederwahl. Obwohl nicht nur er die NATO in Frage stellt, bleibt die EU wehrlos

Dass Donald Trump wieder von “Wahlbetrug” spricht, zeigt am Klarsten, um wie viel besser die Midterm-Wahlen für die Welt, und um wie viel schlechter sie für ihn und die Republikaner ausgegangen sind. Dabei hatte Joe Biden massive Handikaps zu tragen: das Fiasko seines Afghanistan-Abzugs; die nur zu einem Viertel durchgesetzten Investitionen in die Infrastruktur; und zuletzt und vor allem die Inflation – auch wenn sie unter Trump nicht geringer wäre.

Es besteht kein Zweifel, dass die Demokraten ihr dennoch passables Abschneiden den Frauen verdanken: Das republikanische Eintreten für ein Abtreibungsverbot erwies sich als Rohrkrepierer. Zwar nennen es “nur” 27 Prozent der Wähler ihr zentrales Wahlmotiv, während 33 Prozent die Inflation benennen, aber diese Umfrage trügt: In konservativen Bundesstaaten scheuen viele Wähler zweifellos auch nachträglich das Bekenntnis, dass das Abtreibungsverbot für sie wahlentscheidend war.

Auch für die Präsidentschaftswahlen von 2024 wird gelten: Trump hat die Mehrheit der “alten, weißen Männer” hinter sich – aber die Mehrheit der Frauen gegen sich.

Auch sonst sind die Wahlen für Trump enttäuschend verlaufen: Von ihm unterstützte Kandidaten waren keineswegs immer erfolgreich. In Pennsylvania unterlag sein Kandidat für den Sitz im Senat dem Demokraten John Fetterman, obwohl der im Wahlkampf durch einen Schlaganfall gehandicapt war. Vergleichbares passierte in Nevada und erhielt den Demokraten die Mehrheit im Senat durch Dirimierung seitens der Vizepräsidentin.

Am meisten litt Trump aber zweifellos unter dem Erdrutschsieg eines Republikaners bei den Gouverneurswahlen in Florida: Ron DeSantis ist sein mit Abstand aussichtsreichster Konkurrent als republikanischer Präsidentschaftskandidat. Obwohl er also nicht mehr unumstritten ist, dürfte Trump seine Kandidatur verkünden: Er hat keine andere Möglichkeit als die Präsidentschaft, massiven Strafverfahren zu entgehen. Und chancenlos ist er leider keineswegs: Schließlich ist sehr wahrscheinlich, dass die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobert haben und das macht noch unwahrscheinlicher, dass Biden weitere Investitionen beschließen kann. Nur die aber sorgten ziemlich sicher dafür, dass die Amerikaner seine Ära der Ära Trumps vorziehen. Denn die FED bekämpft die Inflation, die ihre zentrale Ursache im Ukrainekrieg hat, zwar wie traditionell erfolgreich, indem sie die Zinsen stark erhöht – aber das kann auch in eine Rezession münden, die ein Booster für Trump wäre. Seine neuerliche Präsidentschaft bleibt ein Damoklesschwert über den USA und der Welt.

Deshalb halte ich für unverantwortlich, wenn die EU sich nicht damit befasst, was das für sie bedeuten kann. Immerhin stellt Trump die NATO massiv in Frage und sein Verhältnis zu Wladimir Putin ist ein besonderes: Der kann jederzeit beweisen, dass er im Einvernehmen mit Trump und damit für diesen strafbar, in den Wahlkampf gegen Hillary Clinton eingegriffen hat, und er kann vermutlich beweisen, dass Trumps Wirtschaftsimperium mit Geld des russischen Geheimdienstes gerettet wurde. Es steht ernsthaft zu befürchten, dass Trump täte, was Putin von ihm fordert: Dass er das US-Engagement in der NATO mit der nicht einmal falschen Begründung minimierte, dass das den Amerikanern Geld und Blutzoll erspart.

Angesicht dieses Risikos scheint es mir von existentieller Bedeutung, dass die EU endlich begreift, dass sie über ernsthaftes eigenes militärisches Potential verfügen muss: Sie muss einem Angreifer auch selbst Paroli bieten können. Eine dazu fähige EU- Streitmacht ist weder ein personelles noch ein ökonomisches Problem: Höhere Militärausgaben beflügeln die Wirtschaft, auch wenn höhere Ausgaben für Wärmepumpen das genau so tun. Aber anders als Russland müssten die Staaten der EU nicht weniger für Wärmepumpen ausgeben, wenn sie ihre Militärbudgets erhöhen, sondern können beides nebeneinander finanzieren. Ebenfalls ohne ökonomische Probleme lassen sich die 600.000 Mann, die in den nationalen Armeen der EU schon jetzt unter Waffen stehen auf 800.000 Berufssoldaten aufstocken: Sie brauchen “nur” ein gemeinsames Kommando, um eine Russland ebenbürtige Streitmacht zu bilden.

Das Problem der EU ist der gemeinsame Wille: 27 Staaten haben 27 Vorstellungen von Sicherheit. Aber angesichts des Vorgehens Putins in der Ukraine können diese Vorstellungen doch schwer so unterschiedlich bleiben: Dass es mehr Sicherheit bietet, wenn die Armee der EU der Putins ebenbürtig ist, sollte doch jedermann einleuchten. Aber nur Frankreichs Emmanuel Macron fordert eine EU-Armee: Im Frühjahr 2021 beschloss man eine “Eingreiftruppe” von 5.000 Mann – ein Witz gemessen an der Armee Russlands und der Gefahr, dass ein wiedergewählter Trump die NATO aufkündigt und dass auch kein anderer künftiger US- Präsident einsehen wird, warum voran Amerikaner für Europas Sicherheit den Tod riskieren sollen.

Bisher stand einer ernsthaften EU-Armee voran entgegen, dass man fürchtete, die USA damit aus der Verantwortung zu entlassen. In Wirklichkeit können NATO und EU-Armee durchaus nebeneinander bestehen, ja einander besser als bisher ergänzen. Theoretisch müssten EU und USA daran auch gleichermaßen interessiert sein: China wie Russland sind so am ehesten in Schach zu halten.

PS: Wie erwartet ließen weder Wolodymyr Selenskij noch Putin von ihren Maximalforderungen ab, um beim G20-Gipfel Friedensgespräche zu ermöglichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Historische Midterm-Wahlen in den USA

Verlieren die “Democrats” Joe Biden´s am 8. November bei den Midterm-Wahlen die Mehrheit im “Congress”, so hat Donald Trumps 2024 gute Chancen wieder Präsident zu werden.

Selbst sehr erfolgreiche Präsidenten erleben bei den Wahlen in der Mitte ihrer Amtsperiode meist einen Dämpfer, weil vor allem die Unzufriedenen wählen gehen. Biden bot zu solcher Unzufriedenheit aber selbst Anhängern Anlass: Die Art und Weise, wie er den Abzug der USA aus Afghanistan managte, war ein unbestreitbares Fiasko. Derzeit irritiert die Amerikaner allerdings die aktuelle Inflation noch viel mehr, obwohl er dafür höchstens Mitverantwortung trägt: Als die “OPEC +”- voran Saudi Arabien gemeinsam mit Russland, wo Putin den Ukrainekrieg vorbereitete, eine Kürzung der Ölförderung beschloss und damit den Ölpreis steigerte, leisteten die USA nicht den üblichen Widerstand, denn durch “Fracking” waren sie selbst zum weltgrößten Ölproduzenten geworden. Als Putins Krieg diesen Preis dann allerdings explodieren ließ, ließ er die Inflation nicht nur in Europa, sondern auch in den USA in lange nicht gekannte Höhen schnellen.

Aber nicht nur die Inflation verhagelte Biden´s Bilanz. Er vermochte auch die Investitionen in die US-Infrastruktur nicht zu tätigen, die er versprochen hatte: Die Republikaner leisteten maximalen Widerstand im Senat und ein demokratischer Senator aus dem Kohlestaat Virginia kam ihnen dabei zur Hilfe, indem auch er Investitionen in den Klimaschutz so lange zurückwies, bis das Investitionspaket nur mehr ein Drittel des geplanten Umfangs hatte. Kosten die Midterm -Wahlen Biden auch seine schmale Mehrheit im Repräsentantenhaus und verliert er die so wackelige Mehrheit im Senat, so hat er in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit keine Chance auf Investitionen, die die Wirtschaft vielleicht doch in einem Ausmaß beflügeln, dass die Amerikaner zu dem Schluss kommen, dass es ihnen unter der Herrschaft der “Democrats” besser als unter der Donald Trumps geht.

Biden´s meines Erachtens einzige Hoffnung sind die Frauen: Wenn sie sich in großer Mehrheit gegen das unter den Republikanern drohende Ende des Rechts auf Abtreibung sträuben, könnte Biden mit einem blauen Auge davon kommen. Diese Frauen bleiben auch das wichtigste Hindernis für einen Wahlsieg Trumps 2024. Dessen Folgen wären nämlich dramatisch: Trump sieht in der Nato kein Interesse der USA und ist Putin in Wahrheit ausgeliefert: Der könnte jederzeit wasserdicht beweisen, dass er den Wahlkampf gegen Hillary Clinton einvernehmlich und damit für Trump strafbar manipuliert hat. Unter Trumps Regierung verliefe nicht nur der Ukrainekrieg anders, sondern wäre die EU in sehr viel geringerem Ausmaß durch die Nato geschützt.

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