Wie sähe Karl Popper 2025?

Vor 80 Jahren erschien Karl Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“. Da ich ihn gut kannte, frage ich mich, wie er Trump, die EU oder den Ukrainekrieg sähe.

Wenn Karl Popper, den die ZEIT den bedeutendsten Philosophen des 20.Jahrhunderts nannte, seine Heimatstadt Wien besuchte, hatte ich das Glück, nach dem Tod zweier Jugendfreunde der erste zu sein, den er anrief. Einer der ersten Anrufe erreichte mich 1962, knapp nachdem die Kuba-Krise beinahe zum dritten Weltkrieg geführt hätte, als sich US-Kriegsschiffe sowjetischen Schiffen entgegenstellten, die Raketen zu einer kubanischen Basis bringen sollten. Popper bat mich, zu ihm ins Hotel Ambassador zu kommen, um Briefe an westliche Staatsmänner zu verfassen, die besagten, wie dringlich es sei, Raketen zu besitzen, die ohne Atomsprengköpfe in der Lage wären, Raketen-Basen zu zerstören. Hätte die USA solche besessen, so hätten sie die Basis in Kuba zerstört, ohne dass es zur Konfrontation der Kriegsschiffe gekommen wäre.  Solche Aktionen waren typisch für Popper: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, zählte zu seinen Überzeugungen und sie erstreckte sich selbstverständlich auch auf den militärischen Bereich. Gerade weil er den Krieg wie jeder anständige Mensch hasste, war er kein Pazifist. Frieden, so war er überzeugt, war am ehesten durch militärisches Gleichgewicht zu sichern, aber im Idealfall sollte die anständige Partei, und das waren für ihn die USA, ihrem Gegner überlegen sein.

Ich habe daran denken müssen, als ich die aktuellen Aufrufe der Friedensbewegung zu „Ostermärschen“ vernommen habe, mit denen gegen die massive Erhöhung der europäischen Rüstungsetats demonstriert werden sollte – Popper sähe in ihnen einen Beitrag zu der Gefahr, dass Wladimir Putin nach der Ukraine ein weiteres Land angreift. Er war nie ein „Idealist“, sondern ein idealistischer Realist: dem Frieden verpflichtetes, aber rationales Denken ging ihm über alles. Wenn dieses rationale Denken dazu führte, sich stärker zu bewaffnen – Popper war zu Recht der Ansicht, dass es viel eher zu konventionellen als zu atomaren Kriegen kommen würde – dann hatte man sich für diese stärkere Bewaffnung einzusetzen. Ich bin absolut sicher, dass er sich eine militärisch starke EU gewünscht hätte.

Die Entwicklung in den USA hätte ihn ebenso sicher entsetzt. Mit Donald Trump stellt die republikanische Partei das Fundament der „offenen Gesellschaft“ in Frage, indem fundamentalistisch evangelikales oder von bloßer Gier beherrschtes Denken rationales Denken und Verhalten ablösen. Am meisten erschütterte Popper, dass die Unterscheidung zwischen „richtig “ und „falsch“, zu der er mit der „Logik der Forschung“ einen entscheidenden Beitrag geliefert hat, unter Trump keine Bedeutung mehr hat: Er konnte noch so oft gelogen haben und wurde dennoch wiedergewählt. Wenn diese Unterscheidung nicht mehr angestrebt wird, ist rationales Denken und Handeln nicht mehr möglich.

Poppers Forderung wahrheitsgemäß zu agieren war unerbittlich: Als ihn eine ORF- Angestellte im Sendestudio bat, noch rasch für sie zu unterschreiben, dass er das Honorar erhalten hätte, das ihm nach der Sendung übergeben würde, weigerte er sich energisch: „Ich unterschreibe nichts Unwahres. Ich werden unterschreiben, nachdem ich das Honorar erhalten habe“. Nachsatz: „Solche unwahren Bestätigungen sind die Basis des AKH-Skandals.“ Ich lachte damals und meinte, er müsse doch nicht ganz so streng sein. Aber das Problem ist, dass wir jegliche Strenge abgelegt haben: Dass Sebastian Kurz im U-Ausschuss nicht ganz die Wahrheit sagte, finden viele nicht so schlimm; der Ex-Präsident des Nationalrats Wolfgang Sobotka wollte die Wahrheitspflicht im U-Ausschuss abschaffen. Keinen FPÖ- Wähler stört, dass die FPÖ die Neutralität als unverzichtbar erklärt, obwohl sie es war, die Österreichs Beitritt zur NATO forderte oder dass Herbert Kickl, der den Bundestrojaner als Innenminister einführen wollte, ihn jetzt heftig ablehnt. Friedrich Merz ist erste Wahl der CDU-CSU für die deutsche Kanzlerschaft, obwohl er die Staatsschuldenbremse, die er im Verein mit SPD und Grünen soeben zu Recht außer Kraft setzte, noch kurz zuvor unverzichtbar nannte, als die Ampel-Regierung sie in Frage stellte.

Selbst im Bereich der Wissenschaft wird Poppers Prinzip, dass falsch ist, was falsifiziert wurde, negiert:  Es kann sich noch so oft zeigen, dass Volkswirtschaften mit hohen Staatsschuldenquoten wie Japan oder die USA tadellos wachsen, und die EU hält dennoch daran fest, dass mehr als 60 Prozent schädlich wären – und Dutzende Ökonomen unterstützen es, so dass es Maxime der Kommission bleibt. Popper war als Mitglied der Mont Pellerin- Gesellschaft, auch wenn er nur einmal an ihrem Meeting teilnahm, kein Anhänger einer vom Staat dominierten Wirtschaft, aber wenn sich erwiesen hätte, dass höhere Staatsverschuldung nötig ist, um Wachstum zu generieren, so hätte er sie mit absoluter Sicherheit befürwortet (auch wenn er in Frage gestellt hätte, dass Wachstum dauerhaft möglich ist.)

Mit absoluter Sicherheit wäre ihm der Erfolg der EU heute so wichtig wie nie zuvor gewesen, Ist sie doch derzeit wichtigster Hort jener „offenen Gesellschaft“, für die er sich so sehr eingesetzt hat.  Im Übrigen war er ein Optimist: er war zuversichtlich, dass sich die „offene Gesellschaft“ als bestes Modell einer Gesellschaft erweisen würde. Dass sie sich deshalb weltweit durchsetzen müsse, schien ihm allerdings in keiner Weise gewiss. „Wir müssen ständig um die offene Gesellschaft kämpfen“ – „denn „es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

 

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Wien Wahl: besser als befürchtet

Obwohl die FPÖ in Wien 20 Prozent erreicht und ihr katastrophales Ergebnis nach Ibiza damit verdreifacht hat, ist ihr Zuwachs doch unter den eigenen Erwartungen und meinen Befürchtungen geblieben.

Eine Partei, die noch nie einen konstruktiven Beitrag zu irgendeinem Thema geliefert hat, wurde zumindest in Wien in die Schranken gewiesen. Das liegt unverändert daran, dass diese Stadt von der SPÖ alles in allem immer gut regiert wurde und zu Recht zu den lebenswertesten Städten der Welt zählt. Michael Ludwig wird zweifellos mit den NEOS weiter regieren, die sogar dazu gewonnen haben und nicht wie die Grünen den von ihm gewünschten Lobau-Tunnel verhindern. Das von den NEOS forcierte Thema Bildung ist ein zweifellos wesentliches und es ist ein Vorteil, dass es hier die Zusammenarbeit mit dem NEOS-Bildungsminister der Bundesregierung gibt.

Dass die Grünen ihr gutes letztes Ergebnis beinahe halten konnten, zeigt, dass der Klimaschutz den Menschen unverändert wichtig ist, aber er ist es auch den NEOS. Zwar sind auch sie gegen den Lobau-Tunnel, aber nicht mit der Vehemenz der Grünen.

Ich denke, dass das Ergebnis auch ein eher positives für die aktuelle Bundesregierung darstellt: Ihr Image hat sich jedenfalls nicht nachteilig auf SPÖ, Grüne und NEOS ausgewirkt.

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Die EU braucht eine ökonomische Wende

Der Zollkrieg mit den USA und das Zurückbleiben des „Südens“ haben die gleiche Ursache. Die EU muss sich von der Schuldenbremse und zu niedrigen Löhnen trennen.

In den Gesprächen, die EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič mit US-Handelsminister Howard Lutnick führt, um den Zollkrieg zu beenden, hofft er sehnlich, dass das Angebot der EU, Industriegüter ganz von gegenseitigen Zöllen auszunehmen, auf Interesse stößt. 2014 hätte die EU ein ähnliches Abkommen sehr wahrscheinlich bekommen: Jean Claude Juncker verhandelte damals als Präsident der EU-Kommission lange scheinbar erfolgreich mit US-Präsident Barack Obama das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, das alle, auch landwirtschaftliche Güter und Pharmazeutika umfassen und auch für Kanada und Mexiko gelten sollte. Doch es scheiterte am massiven Widerstand Deutschlands. Zentrales Motiv der öffentlichen Ablehnung: die Sorge, dass TTIP den USA ermöglichte, in Europa „Chlorhühner“ zu verkaufen. In Österreich fuhr die Kronenzeitung dagegen eine wochenlange Kampagne: „Wir wollen kein Chlorhühner.“ Wobei sich die Diskussion durch das übliche Unwissen auszeichnete: Nicht nur hielt die EU-Behörde für Nahrungsmittelsicherheit es für unbedenklich, Hühnerfleisch mit Chlor zu desinfizieren, sondern die deutschen Behörden sagten sogar, dass die Chorbehandlung vorzuziehen sei, weil sie auch Salmonellen abtöte. Ebenfalls gegen TTIP wetterte die Geschäftsführerin von Global 2000 Leonore Gewessler, wobei ihr Widerstand sich voran gegen die vorgesehene Einrichtung eines gemeinsamen „Regulierungsrates“ richtete, der eine Harmonisierung der in den beteiligten Ländern geltenden Regulierungen herbeiführen sollte. In der Öffentlichkeit galt die Ablehnung der möglichen Zulassung von „Genmais“ und war so fundiert wie beim „Chlorhuhn“. Auch wenn TTIP nicht zustande kam, gab und gibt es allerdings kaum Zölle zwischen den beiden damals so befreundeten Blöcken: Nur US-Autos werden von der EU mit 10 Prozent Zoll belastet, während EU- Autos in den USA nur mit 2,5 Prozent belastetet sind. Heute schaffte man diesen Unterschied nur zu gerne ab, wenn man Trumps Autozölle verhindern könnte.

Darüber unbefangen zu diskutieren, ist allerdings kaum möglich, ist Trump doch der übelste frei gewählte Staatschef der Welt: dabei, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit der USA zu beenden, die Ukraine Wladimir Putin zu opfern und ihm Europa auszuliefern. Und so, wie er das US-Defizit-Problem anging, hat er voran Chaos angerichtet. Dennoch gilt es zu begreifen: Kein US-Präsident wird dauerhaft akzeptieren, dass sich die USA jedes Jahr gegenüber der EU mit fast 200 Milliarden Dollar verschulden, damit die Wirtschaft der EU nicht auf Grund der Staatsschuldenbremse schrumpft.

Wir danken sie bekanntlich dem Maastricht-Vertrag, der die Staaten der EU auf Drängen Deutschlands zum Sparen verpflichtet, auch wenn das ihr Wirtschaftswachstum auf von mir hier Dutzende Male beschriebene Weise hemmen muss. Um dieses gehemmte Wachstum anzukurbeln, ging EZB-Präsident Mario Draghi contre Coeur – er betonte stets, um wieviel besser staatliche Investitionen wären – zu anhaltender Niedrigzinspolitik über. Das aber musste den Euro gegenüber dem Dollar abwerten, zumal der seiner zentralen Stellung wegen, immer besonders hoch bewertet war. Doch je stärker der Dollar ist, desto schwerer ist es für die USA, Waren zu exportieren, während die EU ihre Waren dank des schwachen Euro in den USA besonders günstig anbieten kann. Diese Währungsrelation trug entscheidend zum 200 Milliarden-Handelsbilanz Defizit der USA gegenüber der EU bei. Für ein deutsches Auto, dass ein Amerikaner 2010 um 30.000 Dollar kaufen musste, musste er 2020 nur 20.000 Dollar bezahlen.

Mehrere ökonomische Berater Trumps plädierten daher dafür, voran den Dollar abzuwerten. Wäre er ihnen gefolgt, wäre Widerstand dagegen öffentlich viel schwerer als bei „Zöllen“ gefallen. Die FED hätte nur den Zins für den Dollar massiv senken und möglichst viele Euros für Dollars kaufen müssen, wie die Schweizer Notenbank das ständig tut, um den Franken abzuwerten. Doch dem stand die gestiegene US -Inflation entgegen, die die FED zu höheren Zinsen veranlasste. Das könnte der rationale Grund gewesen sein, der Trump zu „Zöllen“ greifen ließ – der andere ist seine Vorliebe für kriegerische Ultimaten.

Maroš Šefčovič wird bei seinen Verhandlungen nur Erfolg haben, wenn die EU dennoch begreift, dass sie aktiv zum Abbau des US-Defizits beitragen muss. Deutschlands designierter Kanzler Friedrich Merz begreift es leider in keiner Weise: Er meint bekanntlich, dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit steigern müsse, obwohl es gegenüber den USA jedes Jahr einen Überschuss von 80 Milliarden Dollar erzielt. So wie er nicht begreift, dass es ein Problem ist, dass Deutschland auch im Handel mit allen EU-Staaten ständig Überschüsse erzielt: Er ist überzeugt, dass Deutsche eben besser wirtschaften und dass die aktuelle Rezession nur ein Betriebsunfall ist, den er beheben muss. In Wirklichkeit gilt, was das US-Finanzdepartment Deutschland vorwirft: Es hat seine Löhne zu Gunsten seiner Wettbewerbsfähigkeit und zu Lasten der Kaufkraft der Bevölkerung gesenkt. Dabei fordert das Regelwerk der EU eigentlich, dass es keine dauerhaften Überschüsse eines Landes geben soll. Die EU wird erst dann ohne Zurückbleiben des „Südens“ funktionieren und Auseinandersetzungen mit den USA vermeiden können, wenn sie sie diese Regel durchsetzt und wenn die Schuldenbremse für alle Ausgaben des Staates Vergangenheit ist.

 

 

 

 

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Donald Trumps linker Furor

Hinter Trumps Zöllen stehen die linken Thesen eines republikanischen Ökonomen, den selbst der Chef- Berater Barack Obamas schätzt. Ihre Umsetzung krankt an Trump.

Hatte Donald Trump der Welt noch eben den totalen Zollkrieg erklärt und 11 Milliarden Dollar Aktienvermögen vernichtet, so zwangen ihn die Börsen schon vorigen Mittwoch zu 90 Tagen Waffenstillstand – einzig bei China beharrt er auf 145 Prozent Zoll, nahm aber Computer und Handys aus. Vorerst gilt er weiter nicht nur zu Recht als lebensgefährlich für Demokratie und Rechtsstaat der USA, sondern auch fürs Funktionieren der Weltwirtschaft. In den Worten des scheidenden deutschen Kanzlers Olaf Scholz: „Seine Zölle sind ein Anschlag auf eine Handelsordnung, die überall auf dem Globus Wohlstand geschaffen hat.“ Auch meiner hat gelitten: Was ich in sechzig Jahren erarbeitet und in Aktien angelegt habe, ist um ein Viertel geschrumpft. Dennoch will ich versuchen, Trumps Politik emotionslos zu beurteilen: Es gibt sehr wohl Ungleichgewichte im Handel der USA mit Ländern, die Branchen hoch subventionieren, Umwelt-Standards negieren oder zu künstlich abgesenkten Löhnen produzieren, sonst hätten sie nicht trotz überlegener Dienstleistungen (Google, Facebook, Amazon) ständig Handelsbilanzdefizite über 100 Milliarden Dollar.

Ideologischer Hintergrund für Trumps Politik sind Thesen des US-Ökonomen Oren Cass, der meint, dass die Republikaner Wahlen nur gewinnen können, wenn sie sich der Probleme der Arbeiter annehmen. Die sieht sein Buch „Once and Future Worker“ (Der einstige und künftige Arbeiter) so: Während eine winzige Oberschicht unendlich reich wurde, sind ihre Löhne kaum gestiegen und ist ihre soziale Absicherung und Lebenserwartung gesunken. Cass bezweifelt, dass „der Markt“ diese Probleme löst und stellt brisante Fragen: Kann nur Wirtschaftswachstum und wachsender Konsum Jobs sichern? Was bedeutet das für die Umwelt? Muss man Produktion in Länder mit immer billigeren Arbeitskräften verlagern? Wie soll die Industrie des Sun Valley den Wegfall von Millionen Jobs in der traditionellen Industrie egalisieren? Ist Arbeit, von der man seine Familie erhalten kann, nicht wichtiger als alles andere?

Die New York Times schätzte sein Buch ebenso als hervorragend ein wie Barack Obamas ökonomischer Chef-Berater Jason Furman oder Trumps Vize J.D. Vance, der mit der „Hillbilly-Elegie“ das Schicksal Abgehängter beschrieb. Ob Trump es gelesen hat, weiß ich nicht, aber eine seiner Reden scheint es zu popularisieren: „Das Establishment beschützte sich selbst, aber nicht die Bürger unseres Landes. Seine Triumphe sind nicht die euren …für zu viele unserer Bürger existiert eine andere Realität: Mütter und Kinder in unseren Städten sind gefangen in Armut; verrostete Fabriken sind wie Grabsteine über das Land verteilt: eine nach der anderen wurden sie geschlossen, verließen unser Land, ohne auch nur einen Gedanken an die Millionen amerikanischer Arbeiter zu verschwenden, die zurückgelassen wurden. Das Vermögen unserer Mittelklasse wurde aus ihren Häusern gerissen und über die ganze Welt verteilt.“ Wüsste man nicht, dass der Milliardär Trump die Steuern für seinesgleichen genauso stark wie für Mittel-und Unterklasse gesenkt hat, man meinte, einen Sozialisten zu hören. Der Republikaner Oren Cass könnte es sein: er fordert starke Gewerkschaften, Kollektivverträge und Umverteilung. Er war es, der zum Schutz der Arbeiter vorschlug, was als Trumps „Basiszoll“ bekannt wurde: Die USA möge importierte Güter mit 10 Prozent Zoll belegen. Höhere Zölle begründet das US-Finanzdepartment so: „Länder wie China, Deutschland, Japan und Südkorea haben eine Politik verfolgt, die den Binnenkonsum ihrer eigenen Bürger unterdrückt, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportprodukte künstlich zu steigern. Zu dieser Politik gehören egressive Steuern, fehlende Strafen für Umweltzerstörung und Maßnahmen, die darauf abzielen, die Löhne der Arbeitnehmer im Verhältnis zur Produktivität zu drücken“.

Die Umsetzung all dieser Überlegungen entsprach Trumps Sozialisierung, Verstand und Temperament: Cass` Zweifel am Markt, sein Eintreten für starke Gewerkschaften oder Umverteilung nahm er nicht wahr und konzentrierte sich nur auf „Zölle“. Statt das Verhalten der vom Finanzdepartment kritisierten Länder der Reihe nach mit ihren Regierungen zu diskutieren und- durchaus auch mittels Drohungen- zu tragbare Kompromissen zu gelangen, schwang er die Zoll-Keule ohne Rücksicht auf Verluste. Sie traf als erstes die Amerikaner selbst, indem ihr Aktienbesitz erodierte, ihre Pensionsfonds Geld verloren und ihre Teuerung demnächst explodiert. Entsprechend heftig die Demonstrationen der Bevölkerung und der Streit unter US-Ökonomen.

Wie das alles ausgeht, wage ich nicht zu sagen. Im Moment erfüllen der Schweiz und Europas größter Pharma-Konzerne Roche und Novartis und Taiwans und der Welt größter Chip-Produzent TSMC Trumps Erwartung, indem sie Mega-Investitionen in den USA planen, mit denen sie kaum allein bleiben werden – aber die Börsenkurse stürzten alle gemeinsam ab. Bei China dürften die USA stur bleiben- um so weniger können sie es überall sonst in Asien sein. Gegenüber der EU könnten die 10 Prozent Basiszoll an die Stelle der angedrohten 20 Prozent treten, nur bei Autos könnte sich Trump versteifen. Es sei denn, Deutschland verpflichtet sich noch weit mehr US-Waffen und LNG als schon jetzt zu kaufen. Dann ist selbst der von Ursula von der Leyen angebotene zollfreie Handel denkbar, den Deutschland 2013 ablehnte. Man muss sich oft erst die Finger verbrennen.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Dancingstars als Löwinger-Bühne

Theoretisch ist das von der BBC übernommene Sendungsformat „Dancing Stars“ eines der der unterhaltsamsten und in der Breite erfolgreichsten.

Praktisch wurde es Freitag in Österreichs zum absurden Volksstück. Die beste nicht professionelle Tänzerin, Julia Cencig, die mit einem Profi-Partner Patrick Seebauer bei den Wertungen der Juri jeweils an Zeiter Stelle lag, schied in diesem frühen Stadium aus. Offenbar, weil der ORF ein Wertungssystem hat, bei dem die Publikumswertung ein absurdes Übergewicht besitzt, so dass selbst das professionell beurteilt beste Tanzpaar dann ausscheidet, wenn es aus irgendeinem Grund weniger Follower hat, die zum Telefon greifen. Gleichzeitig kann das mit Abstand schlechtesten Paar dank vieler Follower sogar den Sieg davontragen. So blieben Freitag vier Paare in der Wertung, die, wenn man sie mit Cencig und Seebauer vergleicht, etwa so tanzten, wie ich im Vergleich zu Novak Djokovic und Aryna Sabalenka Tennis spiele. So kann man ein erfolgreiches Sendeformat kaputtmachen.

 

 

 

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Donald Trumps wirrer Zoll-Weltkrieg

Niemand weiß, für wen Trumps totaler Zollkrieg am schlechtesten ausgeht. Was spricht für oder gegen die EU? Was dafür, dass die USA am meisten verlieren?

Wer die Rede gesehen hat, mit der Donald Trump der Welt den totalen Zollkrieg erklärte, musste ihn für high halten. Er hielt Tafeln, die die Staaten anführt, die die USA nach seiner Überzeugung über den Tisch ziehen und die er mit seinen Zöllen zur Rechenschaft ziehen will, verzückt wie eine Geliebte im Arm und sprach so inkohärent, dass es schwerfiel, das Wichtigste herauszufiltern: Für jede Einfuhr in die USA gilt ab sofort ein Basiszoll von 10 Prozent, für Waren aus Südkorea werden es 26, Indien 27, Schweiz 32 oder Vietnam gar 46 Prozent sein. China hat auf angedrohte 34 Prozent bereits mit 34 Prozent Gegenzoll reagiert. Die EU kommt mit 20 Prozent Zoll günstiger davon, wobei Chips und Pharmazeutika ausgenommen sind, weil Trump sie für die USA nicht derart verteuern will. Autos dagegen belastet er mit 25 Prozent ganz speziell, was uns bekanntlich am meisten trifft. Aber auch wenn 7 Prozent unserer Exporte -darunter viele Pharmaka- in die USA gehen, gehen doch 93 Prozent anderswohin, so dass der Schaden für unser BIP überschaubar scheint -Wirtschaftsforscher schätzten das Minus auf 0,38 Prozent, die freilich zwei Milliarden Euro entsprechen. Deutschland mit der weltgrößten Autoindustrie hat mit 0,49 Prozent das größte Minus.

Was es bedeutet, dass Trumps Zölle die Export-Einnahmen Duzender Länder fast gleichzeitig vermindern, weiß niemand: Es gibt dafür keine Modellrechnung. Optimisten hoffen, dass Trump sich mit „Deals“ zufriedengibt: die Zölle aufgibt, wenn ihm angeboten wird, mehr US-Waren zu kaufen. Die EU glaubt sich diesbezüglich im Besitz eines verlockenden Angebots: Sie könnte sich verpflichten, um viele Milliarden US-Waffen zu kaufen – allerdings muss sie das sowieso, weil es viele unverzichtbare Waffensysteme (Patriot, F 16) nur in den USA gibt.

Auch etwas mehr als Harley Davidson Motorräder, Whisky oder Jeans mit Gegenzöllen belegen könnte die EU, nur dass die USA es kaum spürten und mit noch höheren Auto-Zöllen reagierten. Was sie spürten, wären Zölle auf ihre Dienstleistungen, von Facebook über X bis Google, nur dass deren Verteuerung den Europäern ziemlich wehtäte, denn sie besitzen nichts Vergleichbares. Das ist ein Grundproblem: Die USA können alles, was wir besonders preiswert produzieren- etwa Autos- nicht so viel schlechter auch selbst erzeugen, während wir, anders als China, kaum digitale Dienstleistungen zu bieten haben. Wirtschaftlich ist die EU den USA im Zollkrieg daher zwingend unterlegen.

Man hofft deshalb, dass es Trump politisch massiv schadet, dass viele US-Produkte sich durch seine Zölle zweifellos verteuern – am meisten Apples I- Phons, die es in China erzeugt, aber auch viele andere, die nicht mehr mit günstigen Produkten aus dem Rest der Welt konkurrieren müssen. Und nicht nur die Bevölkerung reagiert empfindlich auf steigende Preise, sondern die FED könnte die Zinsen wieder erhöhen, was den USA sogar eine Rezession bescheren könnte. Der Kurssturz auch amerikanischer Aktien ist diesbezüglich eine Warnung. Da Aktienbesitz in den USA weit verbreitet und Grundlage der Pensionen ist, könnte das auch für verbreitete Wut sorgen. Trump verkündet zwar, mit einer kurzen, schwierigen Phase zu rechnen, ehe die USA das größte Wirtschaftswunder aller Zeiten erlebten, aber seine Zoll-Keule differenzierte nicht. Sie selbst gegen Kanada und Mexiko zu nutzen, muss US-Produkte massiv verteuern, denn auch GM oder Ford fertigen in Mexiko und aus Kanada beziehen die USA Stahl und Uran. Diese Zölle dürften daher bald einem „Deal“ weichen. Dagegen dürfte der Sinkflug der Aktien und der Anstieg der Preise länger anhalten. Zusammen mit der Unruhe, die Elon Musks Kündigungen verbreiteten, kann die „schwierige Phase“ für Trump sehr lang ausfallen, auch wenn er Musks Vollmacht bereits gekappt hat. Einiges spricht dafür, dass die USA erstes Opfer seiner Zölle sind.

Allerdings ist Trump zwar lebensgefährlich für Demokratie und Rechtsstaat, aber volkswirtschaftlich war er in seiner ersten Amtszeit erfolgreich: Schon seine Drohung mit Zöllen hat etliche Unternehmen bewogen, Produktionsstätten in den USA einzurichten und das wird diesmal noch viel intensiver geschehen, auch wenn fraglich ist, wie rasch es geht. Zugleich gibt es Millionen Amerikaner, die Arbeitsplätze in der traditionellen Industrie verloren haben und in der boomenden digitalen Industrie keine finden, weil ihnen dafür die Skills fehlen. Sie, die sich oft nur durch mehrere Mini-Jobs über Wasser halten, verehren Trump für Sätze wie diesen: „Verrostete Fabriken sind wie Grabsteine über das Land verteilt…eine nach der anderen wurden sie geschlossen… ohne auch nur einen Gedanken an die Millionen Arbeiter zu verschwenden, die zurückgelassen wurden. Ihr Vermögen wurde ihnen entrissen und über die ganze Welt verteilt.“ Schon 2018 wies Trump das Treasury Department deshalb an, zu untersuchen, wie es zu den riesigen US-Handelsbilanzdefiziten kommt: „Der Finanzminister wird (soll) die Länder benennen, die sich einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen“. Deutschland zählt darunter und im zugehörigen Text begründet das Treasurry Department Trumps Autozölle so:

„Deutschland hat durch Maßnahmen, die darauf abzielten, die Löhne der Arbeitnehmer im Verhältnis zur Produktivität zu drücken, den Binnenkonsum ihrer eigenen Bürger unterdrückt, um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportprodukte künstlich zu steigern“.

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Österreichs Problem heißt auch „EU“

Österreichs „hausgemachte Probleme“ sind gravierend, aber lösbar. Allerdings nur dann nachhaltig, wenn die EU ihre Wirtschaftspolitik grundsätzlich ändert.

Dass Österreichs Wirtschaft heuer um 0,3 Prozent schrumpfen dürfte und damit Schusslicht der EU ist, während Malta mit 4,3 Prozent wächst, ist zweifellos das gravierendste Problem seit langem.  Dennoch soll man es richtig einordnen: Malta ist eine Steueroase, Österreichs BIP pro Kopf ist unverändert 3.500 Euro höher als das deutsche, auch wenn Deutschland seit drei Jahren das Gegenteil einer „Konjunkturlokomotive“ der EU ist.  Seine Ökonomen schreiben das seiner angeblich verringerten Konkurrenzfähigkeit zu. Dass es dennoch einen Handelsbilanzüberschuss von jährlich 80 Milliarden Dollar gegenüber den USA erzielt, passt zwar nicht zu dieser Diagnose, wird von den Ökonomen aber negiert, so sehr Donald Trumps Zölle sie erschüttern.

In Bezug auf Österreichs diagnostiziert der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) Gabriel Felbermayr, dass unser aktuelles Finanz-Problem „zum größten Teil hausgemacht“ ist, – ich sehe einen mindestens so großen Anteil bei der EU.  Zuerst zu den „hausgemachten“ Problemen: Das älteste davon ist unsere überdurchschnittliche Abhängigkeit von russischem Gas, das uns allerdings erlaubt hat, Stahl und Aluminium, besonders billig zu produzieren. Mit der extremen Verteuerung von Gas durch die von der OPEC und Russland gedrosselte Förderung, mussten sich alle Güter Österreichs daher überdurchschnittlich verteuern. (Es stimmt nicht, dass die Regierung die Teuerung besonders schlecht gemanagt hat: Ungarn, das zu total von russischem Gas abhängt, hatte die höchste Inflation, die Schweiz, die kein Gas braucht, hat keine Inflation)

Mit der Gas-Verteuerung, die zwangsläufig unseren Wohlstand mindern musste, hängt der größte hausgemachte Fehler zusammen: Die sonst so vernünftigen Gewerkschaften haben Lohnerhöhungen gemäß der Benya-Formel (Erhöhung =Inflation + Produktivitätssteigerung) gefordert, obwohl die minimal war, und vor allem, obwohl die Inflation nicht durch übliche Lohnerhöhungen, sondern durch die außergewöhnliche Gaspreis-Explosion verursacht war, so dass ich sie lieber „Teuerung“ als „Inflation“ nenne. Dass die EZB sie dennoch wie eine gefährliche, sich selbst verstärkende Inflation mit einer harschen Zinserhöhung bekämpft hat, hat die Rezession ausgelöst. Der „hausgemachte“ Fehler der Gewerkschaften hat dazu geführt, dass die Löhne in Österreichs exportintensiver Metallindustrie um neun Prozent stiegen, während sich die Gewerkschaften unseres Hauptkonkurrenten Deutschland mit 2,4 Prozent und einer Einmalzahlung begnügten. Als ich hier über kritisch hohe Lohnstückkosten schrieb, warf mir der Ökonom Kurt Bayer in einem Leserbrief Fehlinformation der Falter-Leser vor – heute lassen Felbermayr und der Direktor des „Instituts für höhere Studien (IHS) Holger Bonin keinen Zweifel daran, dass unsere hohen Lohnstückkosten ein zentrales hausgemachtes Problem sind.  Dennoch haben in gewisser Hinsicht auch Bayer und die Gewerkschaften recht: Es ist ein zentrales Problem der EU, dass sie zugelassen hat, dass Deutschland seine Löhne durch zwei Jahrzehnte nicht adäquat erhöht hat, obwohl permanente Handelsbilanzüberschüsse eines Landes unzulässig sind und auch das Zwei-Prozent-Inflationsziel mit zu niedrigen Löhnen nicht erreicht werden kann.

Letztlich drückte Deutschlands Niedriglohnpolitik auf alle Löhne der EU und damit auf ihre Kaufkraft, womit wir bei einem weiteren gemeinsamen Problem sind: Weil die EU-eigene Kaufkraft besonders niedrig ist, muss sie besonders viel exportieren und wird daher besonders unter Trumps Zöllen leiden. Am Rande waren die zu niedrigen deutschen Löhne eine unzureichende Peitsche für die Steigerung der Produktivität.

Das mit Abstand größte Problem bleiben jedoch Maastrichtkriterien und „Staatsschuldenbremse“. Seit es sie gibt, fällt die EU in allen Wirtschaftsdaten mehr und mehr hinter die USA zurück: Wirtschaftswachstum, Produktivität und Löhne der USA steigen ungleich stärker, sie überwinden Krisen rascher und haben kaum Arbeitslosigkeit. Das ist kein Augenblicksbefund, sondern es musste so sein. Den Grund hat Bonin in seiner Pressstunde für Österreich angeführt, aber er gilt für alle hochentwickelten Volkswirtschaften:  die Bürger kaufen – schon gar in Zeiten wie diesen- nicht wesentlich mehr ein, selbst wenn ihre Löhne steigen, sondern legen mehr Geld auf die hohe Kante. Tut mir leid, immer die gleiche Frage zu stellen: Wie sollen die Unternehmen mehr verkaufen -wie soll die Wirtschaft wachsen – wenn der Staat gleichzeitig weniger einkauft, weil er spart? Das ist nicht nur jetzt so, sondern so lange, wie dem Staat Sparen vorgeschrieben ist. Nur wenn er sich, wie die USA, für gemeinsame Zwecke (etwa: ein starkes Heer, Kilmaschutz, KI) verschulden kann, kann die Wirtschaft wachsen. Wenn die EU das nicht begreift, werden sich ihre, und damit unsere,- Probleme verstärken, statt verringern.

Was wir zu Haue machen können, gehört natürlich trotzdem gemacht und ist machbar: der Föderalismus ist auszumisten. Alle Staatsausgaben und Förderungen sind auf ihre Effizienz zu überprüfen. Sozialausgaben müssen treffsicher sein: wer keine Unterstützung braucht, soll keine bekommen – moderne Datenverarbeitung macht das möglich. Das Pensionsalter muss mit der Lebenserwartung steigen. Und natürlich gehören – Bonin hat es wie ich begründet- die Steuern auf Arbeit verringert, indem man die Steuern auf Vermögen, voran die Grund- und Erbschaftssteuer, erhöht.

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Wie der Lohn-Verfall die FPÖ stärkt

Die FPÖ dankt ihren Aufstieg voran der Migration, aber Migranten werden voran von Menschen als irritierende Konkurrenz empfunden, deren Löhne ständig gesunken sind.

 Wenn man fünfundachtzig ist und aus einer Familie kommt, die mehr als andere unter dem Nationalsozialismus gelitten hat und zu wissen glaubt, was ihn so stark werden ließ, wird man zur Irritation von Lesern und Redaktion zur Kassandra, die das immer gleiche Thema für entscheidend hält: Die ökonomischen Voraussetzungen faschistoider Entwicklungen. Ohne die Arbeitslosigkeit der Zwischenkriegszeit hätte es den enormen Zustrom zur NSDAP nicht gegeben – ohne die schlechte wirtschaftliche Entwicklung der EU in den letzten Jahrzehnten wären rechtsextreme Parteien nicht derart erstarkt.

Dass man in meinem Alter trotz elektrischer Zahnbürste immer mehr Zahnprobleme hat – Zahnstein setzt sich an und drängt Zahnfleisch und Kieferknochen zurück- bot mir den jüngsten Anlass, es wahrzunehmen. Mein Zahnarzt empfahl mir die Behandlung durch eine Zahnarztassistentin, die mit einer Reihe technischer Geräte, unter anderem mittels Ultraschalls, Zahnstein zu entfernen vermag. Nachdem sie das durch eine Stunde getan hatte, wollte ich wissen, was sie nach drei Jahren Grundausbildung und einem Jahr Zusatzausbildung für Zahnprophylaxe verdient: 1500 Euro netto bei einer 22 Stunden-Woche. Deshalb sei dies, so erklärte sie mir, auch ihr letzter Arbeitstag: Sie wechsle in eine Tankstelle, wo sie mehr verdiene. Die Fortsetzung des Gespräches förderte den Grund ihrer besonderen Frustrationen zu Tage: ihre Nachbarin, eine Migrantin mit zwei Kindern erhalte, ohne zu arbeiten auch 1500 Euro im Monat. Ich wunderte mich nicht, wenn meine Gesprächspartnerin FPÖ wählte.

Das Beispiel wirft etliche Fragen auf. Erstens: Man zahlt für die Stunde Zahnhygiene 140 Euro – warum bekommt die Zahnarztassistentin nur 17 Euro für ein Stunde, auch wenn ihr der Zahnarzt teure Geräte zur Verfügung stellt? Er, der Kapital einzusetzen vermag und selbstständiger Unternehmer ist, hat offenbar einen gewaltigen Einkommensvorteil. Zweitens: es ist grotesk, dass man für die simple Tätigkeit in einer Tankstelle mehr verdienten kann als für eine hochspezialisierte Tätigkeit. Drittens: Der berühmte „Fachkräftemangel“ wundert mich nicht, solange Arbeitgeber Fachkräfte so schlecht bezahlen. Und vor allem: Nicht die 1500 Euro Grundsicherung für einen Flüchtling mit zwei Kindern sind zu viel, sondern 1500 Euro für eine hoch spezialisierte Arbeit sind viel zu wenig.

Sie entsprechen einer grundsätzlichen Entwicklung, die seit rund fünf Jahrzehnten in Europa wie in den USA stattfindet: das oberste Prozent der Bevölkerung verdient sagenhaft, zehn Prozent verdienen sehr gut -die untersten 25 Prozent verdienen miserabel. Die Lohnentwicklung für Österreich im Zeitablauf: Die Lohnquote ist zwischen 1976 und 2008 von 75 auf 25 Prozent gefallen, die Gewinnquote von 25 auf 42 Prozent gestiegen. Die Finanzkrise brachte 2008 eine befristete Unterbrechung dieses Trends -seither setzte er sich als Konsequenz neoliberalen Wirtschaftens kontinuierlich fort. Wir erleben die Ära eines neuen Feudalismus die 1980 mit Ronald Reagan begann. Davor gab es in den USA eine Erbschaftssteuer von 80 Prozent und die Progression der Einkommensteuer reichte bis 90 Prozent. Inzwischen wird Nachlass in den USA bis 40 Prozent besteuert, die Einkommens-Progression endet bei 39,6 Prozent- bei uns endet sie bei 55 Prozent, aber es gibt keine Erbschaftsteuer und auch alle anderen vermögensbezogenen Steuern sind bekanntlich für die ÖVP und groteskerwiese auch für die FPÖ, deren Sorge angeblich dem kleinen Mann gilt, des Teufels: Ihr Anteil am BIP beträgt 0,63 Prozent und ist damit der geringste der entwickelten Welt– in den USA liegt er bei 3,22 Prozent. Wir besteuern Arbeit besonders hoch -Vermögen besonders niedrig. Wie heftig ÖVP, aber auch Neos diese Besonderheit verteidigen, haben die Regierungsverhandlungen gezeigt. Auch im Moment sind Arbeitnehmer besonders schlecht dran: Zu den 6,4 Milliarden des Sparpakets 2025, das uns die EU absurder Weise auferlegt, tragen Haushalte mehr als das Doppelte von Unternehmen bei.

Seit Jahrzehnten haben wir es so mit einer sozialen Schicht von rund 25 Prozent zu tun, deren Einkommen real ständig gesunken, statt gestiegen ist, und deren Angehörige noch dazu immer wieder Gefahr laufen, den Job, den sie gerade innehaben, zu verlieren. Dass diese Menschen beträchtliche Ressentiments gegenüber der herrschenden Politik haben und sie abwählen wollen, ist verständlich. Dass ihre Ressentiments ausgerechnet der FPÖ zugutekommen, die sie steuerlich ganz besonders benachteiligte, liegt teils an mangelnder Bildung, teils an unzureichender Berichterstattung, vor allem aber daran, dass Parteien wie ÖVP und Neos der gleichen falschen Wirtschaftsphilosophie anhängen: Wenn sie als angebliche Wirtschaftsparteien vermögensbezogene Steuern als No-Go betrachten – wie soll es der „kleine Mann“ dann bei der FPÖ für falsch halten?

Die Katastrophe ist, dass die Wirtschaftspolitik der EU-Kommission den Lohnverfall der Unterschicht mehrfach begünstigt: Sparen des Staates lässt das BIP pro Kopf seit 2000 weit langsamer als in den USA wachsen; die Umverteilung durch Steuern hat abgenommen, so dass die Ungleichheit steigt. Und die Kommission bestraft zwar auf absurde Weise Staaten, die zu Recht mehr Geld ausgeben, nicht aber Staaten, die, wie Deutschland, Vorteile gegenüber anderen Staaten erlangen, indem Unternehmen inadäquate Löhne bezahlen. So fördert die EU Rechts-Parteien.

 

 

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Wer profitiert von der Aufrüstung?

Bisher überwies die EU 70 Prozent der für Rüstung bestimmter Gelder in die USA. Je schneller sie ihre Rüstungsindustrie ausbaut, desto mehr bleibt hier. Auch in Österreich. 

Um Donald Trump nicht vor den Kopf stoßen, sagt Wladimir Putin zu dessen mit der Ukraine ausgehandeltem Plan einer dreißigtägigen Waffenruhe: „Ja, aber…“. Gleichzeitig versucht er, den Rest der ins russische Kursk vorgestoßenen ukrainischen Truppen einzukesseln und will sie dann „menschenwürdig behandeln, wenn sie sich ergeben“. Ob daraus dennoch Friedensverhandlungen werden, hängt von der Reaktion Trumps ab, der sich vorerst mit Putins dürftiger Antwort zufriedengibt. Wolodymyr Selenskyjs zentrale Forderung, einen Frieden so abzusichern, dass Russland in ein, zwei Jahren nicht neuerlich angreift, bleibt weiter unerfüllt: Putin lehnt die Integration der Ukraine in ein Bündnis ebenso ab wie die Stationierung von Friedenstruppen.

Bezüglich der Waffenruhe mag auch die Überwachung durch Satelliten – genügen – aber nur das Bestehen einer ernstzunehmenden europäischen Armee schreckt Putin mit einiger Wahrscheinlichkeit von künftigen Vorstößen, sei es in der Ukraine, sei es sonst wo in Europa, ab. Europas führende Politiker haben endlich begriffen, dass die Wirtschaftsweltmacht EU auch Militärmacht sein muss. Polen investiert fünf Prozent seines BIP in Rüstung, Deutschland muss der Schuldenbremse wegen das Grundgesetz ändern, um auch nur zu erreichen, dass Rüstungsausgaben über ein Prozent des BIP (43,5 Milliarden) nicht mehr den Staatsschulden zugezählt werden und in der nötigen Höhe beschlossen werden können. Gleichzeitig soll ein „Sondervermögen“ von 500 Milliarden innerhalb von 12 Jahren, die durch zwei Jahrzehnte kaputtgesparte deutsche Infrastruktur sanieren. Um beides zu ermöglichen, hat der künftige Kanzler Friedrich Merz erreicht, dass dieser Beschluss noch von der Regierung Olaf Scholz´ gefasst wird, indem SPD und Grüne gemeinsam mit der CDU-CSI stimmen. Denn ein Kanzler Merz wird diese Zweidrittelmehrheit nicht mehr besitzen, weil die erstarkte AfD nicht für Aufrüstung gegen Putin gestimmt hätte.

Dass die Grünen dem Milliardenpaket zustimmten, lag daran, dass Merz zusagte, 100 Milliarden aus dem Infrastruktur-Vermögen in den Klimaschutz zu investieren. Dennoch zeugt es auch von verantwortungsbewusster Selbstüberwindung. Denn als Grüne und SPD Merz ersucht hatten, die Schuldenbremse mit ihnen auszusetzen, weil ein Urteil des Bundesgerichtshofes sie zwang, 60 Milliarden einzusparen, die Finanzminister Christian Lindner für den Klimaschutz freigegeben hatte, obwohl sie für die Bewältigung der Pandemie bewilligt worden waren, hatte Merz das verweigert und die Schuldenbremse heftig verteidigt. Die daraus resultierende Finanznot der „Ampel“ trug wesentlich zu ihrer Niederlage und seinem Wahlsieg bei. Jetzt, als künftiger Kanzler, brauchte er die Grünen, um sein Wahlversprechen massiver Aufrüstung und wirtschaftlicher Erholung wahrzumachen. Eine Klage der AfD und der Linken, dass es der Verfassung widerspreche, dass die Scholz-Regierung diese gewichtigen Beschlüsse fasst, obwohl sie ab 30. März nicht mehr im Amt ist, wies der Bundesgerichtshof ab.

All das zeigt einmal mehr, wie nachteilig es ist, dass die EU nach wie vor an den Maastrichtkriterien und der Schuldenbremse festhält: Sie sind ein massives wirtschaftliches wie militärisch Handikap. Dabei kann Aufrüstung die Konjunktur Deutschlands wie der EU entscheidend ankurbeln, weil zahllose Zulieferbetriebe mitverdienen. Dass das in den USA 1943 sogar zu 18,9 Prozent Wirtschaftswachstum führte, lag allerdings daran, dass alle staatlichen Investitionen voll der US- Rüstungsindustrie zugutekamen. Was Deutschland und die EU in Aufrüstung investierten, kam der eigenen Rüstungsindustrie hingegen bisher nur zu 30 Prozent zugute – zu 70 Prozent wurden im Zuge des Ukrainekrieges US-Waffen gekauft. Das ändert sich nur mit dem Tempo, mit dem die EU ihre Rüstungsindustrie ausbaut und das ist einmal mehr eine Geldfrage. Allerding ist es zugleich eine Chance, die aktuelle Krise der deutschen Auto-Industrie abzufedern, denn KFZ- Unternehmen und ihre Zulieferer können relativ leicht auch gepanzerte Fahrzeuge produzieren. Das ist nicht zuletzt eine Chance für Magna, das einmal sehr gute Panzer produzierte.  Aber auch alle heimischen Zulieferunternehmen profitierten erheblich von den deutschen Verteidigungsmilliarden. Weil die VOEST einmal sehr gute Kanonen produzierte, Steyr sehr gute Gewehre und Glock sehr gute Revolver produziert, ließe sich dieses Know- How sogar mit gemeinsamem Einkauf und Vertrieb in einem durchaus konkurrenzfähigen. österreichischen Rüstungsunternehmen zusammenfassen.

Geschütze, Panzer, Flugzeuge für die EU so weit wie möglich in der EU zu produzieren, ist aber nicht nur eine Frage des wirtschaftlichen Nutzens, sondern auch der militärischen Unabhängigkeit: US-Waffen funktionieren vielfach nur zusammen mit US-Zielsystemen und wenn Trump die, wie kürzlich der Ukraine, nicht zu Verfügung stellt, sind sie nur mehr begrenzt einsatzfähig. Auch solche Zielsysteme und die Überwachung des Gefechtsfeldes aus der Luft muss die EU dringend entwickeln, und obwohl es dauert, wird es sich als wirtschaftlich rundum vorteilhaft herausstellen. Nicht zuletzt sollte man dringend darüber nachdenken, ob sich Großbritannien nicht, wie die Schweiz, vertraglich viel enger an die EU anbinden lässt – es ist Zeit, dass Europa so eng wie möglich zusammenrückt, um neben den Diktaturen in China und Russland und neben den zunehmend autoritären USA ein Hort der Freiheit zu bleiben.

 

 

 

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Eine Euro-Armee nützte der Wirtschaft

Nach der kalten Abreibung in Washington wurde Wolodymyr Selenskyj Sonntag in London beim Krisentreffen der Europäer zur Ukraine von Keir Starmer umso wärmer empfangen.

Der britische Premier gewährte einen Kredit von umgerechnet 2,74 Milliarden Euro und liefert Raketen und Raketenabwehrsysteme. Gemeinsam mit Emmanuel Macron erklärte er sich bereit, einen künftigen Frieden mit Truppen abzusichern, und diskutierte einen atomaren Schutzschild für Europa, während Ursula von der Leyen die massive militärische Stärkung der EU versprach.

Trotzdem blien allen Beteiligten klar, dass es die USA braucht, um einen haltbaren Ukraine-Frieden zu erreichen – Selenskyj müsse sein Verhältnis zu Donald Trump reparieren. De facto: Er wird sich dafür entschuldigen müssen, dass er die Nerven verlor, als Trump ihn kriegsverliebt und Wladimir Putin friedliebend nannte. Absurd wie die Welt derzeit ist, kann Italiens Giorgia Meloni bei ihrem kommenden Treffen mit Trump am ehesten verhindern, dass die USA  die Ukraine völlig fallen lassen, denn sie genießt die Zuneigung Elon Musks.

Vorbei die Hoffnung Trump könnte einen Ukraine-Frieden erreichen, bei dem Selenskyj „nur“ auf die Krim, Donezk und Luhansk, nicht aber den halben Donbas verzichten muss. Ein Frieden, bei dem Wladimir Putin nur akzeptieren muss, dass zwar nicht die Nato, wohl aber Frankreich und Großbritannien mit Truppen in der Ukraine die neuen Grenzen garantieren und dass die USA das ohne Truppen- Stationierung auch tun.

Dass jene Mineralien, die mit den USA zu teilen Selenskyj Trump angeboten hatte, sich im Donbas befinden, hatte optimistisch gestimmt, denn nur wenn dieses Gebiet nicht ganz an Putin fiel, konnte Trump davon profitieren.

och dann hätte das Treffen zur Unterzeichnung des Abkommens bekanntlich mit einem Eklat geendet: Selenskyj ertrug nicht, dass Putin friedliebend und er kriegsverliebt genannt wurde, und bestand vor allem auf Garantien für die künftige Grenze seines Landes. So richtig das war, so undiplomatisch war es. Trump machte klar, dass er den Frieden zu akzeptieren hätte, den er mit Putin ausmacht. Nur dass es ohne auch von den USA garantierten Grenzen kein Friede wäre: Putin nutzte einen Waffenstillstand, seine Verluste zu ergänzen, um in ein, zwei Jahren neuerlich zuzuschlagen.

Donald Trump ist Europas Sicherheit egal.

Nur eine starke eigene Armee kann sie schaffen.

Ihre Aufrüstung nützt auch der Wirtschaft.

Dazu muss die Schuldenbremse fallen.

Es gibt zwar Beobachter, die meinen, Trump könnte seine Haltung ändern, zumal etliche Republikaner Putin nicht so gewogen sind, aber man kann auch die Meinung teilen, die die britische Russland-Expertin Catherine Belton in ihren Bestseller „Putins Netz“ äußert: Putin habe Trump in der Hand, weil er nachweisen könnte, dass Geld des KGB ihn vor der Pleite bewahrt habe.

Was immer stimmt, eines ist sicher: Die Lage der Ukraine ist verzweifelt. Nur schnellste, massivste Waffenproduktion kann sie voe einer Niederlage bewahren – und nur eine potente europäische Armee kann Putin dauerhaft in Schachhalten.. Beides setzt voraus, die Schuldenregeln der EU zu reformieren, und erstmals hält Deutschlands künftiger Kanzler Friedrich Merz das für möglich.

Derzeit prüft er mit Noch-Kanzler Olaf Scholz, mit dessen SPD er zweifellos koalieren wird, die Chance, die in der deutschen Verfassung verankerten Schuldenbremse mit der noch vorhandenen Mehrheit Zweidrittelmehrheit außer Kraft zu setzen oder ein „Sondervermögen“ für die Waffenproduktion einzurichten. Denn Merz´ Regierung hat im Bundestag keine Zweidrittelmehrheit, weil die AfD einer Waffenproduktion zu Lasten Putins nicht zustimmte und die „Die Linke“ nicht für Waffen stimmen will.

Zwar scheint sie verhandlungsbereit, wenn auch soziale Investitionen beschlossen werden, aber es ist einmal mehr absurd, dass die Maastricht-Kriterien verhindern, dass die Staaten der EU sich verschulden, um unverzichtbare Investitionen in ihre Sicherheit zu tätigen. Zumal die Entwicklung der USA zwischen 1942 und 1944 zeigt, wie sehr das der Wirtschaft nützte: Obwohl sie durch den „New Deal“ bereits hoch verschuldet waren, wuchs die Wirtschaft der USA damals durch Rüstung mit Raten von 17,7, dann 18,9 und 1944 nochmals 17 Prozent jährlich, indem der Staat einfach „Geld druckte“, denn die Waffenproduktion ließ jede Menge Zulieferbetriebe mitwachsen.

Auch Investitionen in alternative Energie oder KI müssten wegen der Rüstungsinvestitionen nicht unterlassen werden. Die Grenzen des Wirtschaftswachstum bilden nur die verfügbaren Arbeitskräfte, Rohstoffe und Energie. Sobald man versteht, warum die Verschuldung des Staates unumgänglich ist, wenn Konsumenten und Unternehmen sparen, formuliert man die Maastricht-Kriterien anders und schnelle Aufrüstung ist möglich.

Seit Finnland und Schweden bei der EU sind, verfügen die nationalen Heere der EU selbst ohne Großbritannien, über fast 1,2 Millionen Soldaten, also nicht viel weniger als Russland mit 1,3 Millionen. Aber natürlich gehören die Briten in eine europäische Streitmacht integriert und in der Realität stünde ihr zudem die erprobte Armee der Ukrainer zur Seite.

Bisher wurde eine solche Integration vermieden, weil man der Nato keine Konkurrenz machen, den USA keinen Anlass geben wollte sich aus ihr zurückzuziehen – aber Donald Trump zieht sich bereit zurück und auch kein anderer US-Präsident wird EU Staaten mit US-Soldaten schützen. Daher ist es höchste Zeit, die Kommandostrukturen füe eine europäische Armee zu schaffen – nimmt ein nächster US-Präsident die Nato wieder ernst, wäre sie eben deren viel stärkerer Teil.

 

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Putin & Trump killen die Schuldenbremse

Was ökonomische Einsicht nicht vermochte, gelingt Wladimir Putin: Die Schuldenbremse fällt, weil sie Aufrüstung unmöglich macht. Widersinnige Defizit-Verfahren bleiben.

Was Putin will, ist klar: Zur Krim auch den Donbas und im Rest der Ukraine ein Satellitenregime, das ihm militärisch ausgeliefert ist. Auch was Trump will, ist klar: Den Friedensnobelpreis, ohne der Ukraine weiter Geld und Waffen zu liefern. Beide sind der Erfüllung ihrer Ansprüche nah: Indem Trump Wolodymyr Selenskyj keine Waffen mehr liefert und ihn von US-Informationen über das Schlachtfeld ausschließt, muss er jedem von Putin & Trump beschlossenen Frieden zustimmen und ist dann womöglich intern so geschwächt, dass er jemandem weichen muss, der Putin genehm ist.

Einzige Hindernisse: Der ungebrochene Widerstand der Ukrainer und die Möglichkeit, dass die EU der Ukraine im Zuge massiver Aufrüstung doch rasch ausreichend Waffen und Munition liefert.

Da Ursula von der Leyen und Europas wichtigste Staatschefs begriffen haben, dass diese massive Aufrüstung unverzichtbar ist, ändert Deutschland die Staatsschuldenbremse erstaunlich rasch: Militärausgaben, über ein Prozent des BIP sollen nicht mehr zur Staatsschuld zählen. Nur so könnte Frankreich, das als einziges auch Atomwaffen besitzt, zusätzliches Geld in Rüstung zu investieren. Viel besser wäre gewesen, gänzlich auf Schuldenbremse wie Maastricht-Kriterien zu verzichten – so wurden beide nur aufgeweicht. Deutschland muss womöglich doch zu „Sondervermögen“ Zuflucht nehmen, Österreich könnte seiner marginalen Militärausgaben wegen nur marginal von der Änderung profitieren.

Kanzler Christian Stocker könnte historische Verdienste erringen, wenn es ihm gelänge, sich mit Emanuel Macron und Giorgia Meloni und weiteren betroffenen Staatschefs zusammenzutun und zu erreichen, dass die EU-Kommission wenigstens auch von den geisteskranken Strafverfahren absieht, mit denen sie derzeit ahndet, dass Österreich die Maastricht-Kriterien nicht eingehalten hat.

Ich habe immer gehofft, dass führende Politiker und Ökonomen das auf Grund der Mathematik einsehen, dass Unternehmen nicht mehr verkaufen können (die Wirtschaft nicht wachsen kann), wenn alle Staaten weniger einkaufen, weil sie sparen müssen. (Dass es deutschen Unternehmen dennoch lange gelang, lag daran, dass andere Staaten, voran die USA sich lange Zeit zu ihren Gunsten verschuldeten. Das aber dürfte mit Trumps Strafzöllen enden.) Wenn es jetzt die Angst vor Russland ist, die zu dieser Veränderung zwingt, muss man trotzdem froh sein. Hauptsache sie findet statt. Auch die USA haben die Angst vor Adolf Hitler gebraucht, um zu sehen, dass ihre Wirtschaft durch Aufrüstung mit bis zu 18,9 Prozent weit stärker wächst als durch den argwöhnisch beäugten und arg gebremsten „New Deal“ Harry S. Trumans.

Dass die USA wirtschaftlich bis heute so viel besser als die EU funktionieren, liegt nicht zuletzt an ihrer ständigen Aufrüstung. Denn auch die meisten US- Politiker sind wie die deutschen der Überzeugung der schwäbischen Hausfrau, dass der Staat keinesfalls Schulden machen darf, obwohl Konsumenten und Unternehmen auch in den USA sparen. Doch weil Republikaner wie Demokraten darauf bestehen, dass die US-Armee immer die mit Abstand stärkste der Welt ist, stimmen sie doch jedes Mal für hohe Militärbudgets.

Ich hatte schon mit 29 Jahren diesbezüglich eine Lehrstunde, wie sie eindrucksvoller nicht denkbar ist: Der Kurier hatte sich damals wahnwitziger Weise von Hugo Portisch getrennt und gemeinsam wollten wir eine neue Tageszeitung gründen, für die ich Investoren suchte. Nach zwei denkbar ungeeigneten Geldgebern wurde ich an einen deutschen Anwalt verwiesen, der sich ausgerechnet als Vertreter des weltgrößten Waffenhandelsunternehmen entpuppte.  Um meine offenkundige Skepsis zu zerstreuen, erzählte er mir, dass sein Unternehmen soeben zu einem künftigen Vietnam- Frieden beitrüge, indem es Journalisten über Kriegsverbrechen informiere. Seine durchaus glaubhafte Begründung: Die USA hätten so viel Munition verbraucht, dass die US -Rüstungsindustrie an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt sei und Gefahr laufe, Geschäfte an ausländische Konkurrenz zu verlieren.  Sie hätte nur die Möglichkeit gehabt, enorme Summen in eine Kapazitätserweiterung zu investieren, die nicht gelohnt hätten, weil der Krieg sicher nicht mehr lang gedauert hätte –„also wollt ma, dass a endet“. „Und jetzt erwarten Sie den Friedensnobelpreis“, reagierte ich boshaft. „Rein rational“, gab er ganz ruhig zurück, „wäre das durchaus berechtigt“: Die Rüstungsindustrie könne nicht dafür sein, dass man einander bombardiert, denn wenn alles kaputt sei, hätten die Staaten kein Geld, um Waffen zu kaufen. Ideal sei Friede durch Angst, in dem sie einander bis an die Zähne bewaffnet gegenüberstünden. „Aber die maximale Auslastung durch den Vietnam-Krieg dürfte Sie doch gefreut haben“, ließ ich nicht locker. Die Antwort ist mir bis heute im Ohr: „Große Krieche nee, kleene Krieche ja.“ Meinen Einwand, dass ich auch auf kleine Kriege verzichten könnte, schmetterte er ab: „Nee, könn se nich“ – die brauche die Wirtschaft. Denn die Arbeitslosigkeit würde explodieren, wenn die Rüstungsindustrie nicht ständig für Arbeit und Einkommen sorge. „Waffen und Munition werden doch letztlich zu Schrott“, wendete ich ein, da könnte der Staat doch genauso gut große Investitionen in Nützliches beschließen und würde genauso Arbeit und Einkommen schaffen. „Nee, können se nich“, erwiderte mein Gegenüber einmal mehr: Dergleichen würde nur beschlossen, wenn es um Krieg geht.

 

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Trumps Problem heißt Elon Musk

Das „goldene Zeitalter“, das Donald Trump den USA mit seinem Amtsantritt prophezeite, begann mit einer Korrektur an der Wall Street, der ein kräftiges Minus in Tokio, Peking und Frankfurt folgte. Weil Börsen als Orakel gelten, wurden eilig Erklärungen gesucht.

Die einfachste fand die geringste Beachtung: Trumps Wahlsieg hatte ein Kursfeuerwerk entfacht und diese Überreaktion wurde korrigiert. Doch weil die Korrektur unmittelbar auf Trumps Ausführungen zu Zöllen gegen China, Kanada und Mexiko folgte, machten viele Medien Europas Trumps „Handelskrieg“ auch für den US-Kursverlust verantwortlich, indem sie die These vertieften, dass er auch die Zölle, die er der EU allen voran Deutschland, androht, noch bereuen würde: Ohne preisgünstige Importe stiege das US-Preisniveau, und die steigende Inflation könnte die Notenbank Fed zu neuerlichen Zinserhöhungen bewegen, die die US-Konjunktur empfindlich träfen.

Das hat zwar manches für sich, doch das wäre erstaunlich, wenn die US-Aktienkurse schon jetzt darauf reagierten. Noch erstaunlicher ist, dass die Börsen in Frankfurt und Wien nicht längst korrigieren, denn ihre heimischen Werte müssen Trumps Zöllen am meisten fürchten, sind deutsche Kfz-Exporte doch hauptverantwortlich für das 80 Milliarden-Dollar-Defizit der USA im Handel mit Deutschland, das Trump so irritiert. Auch unsere Handelsbilanz erklärt seine Irritation: Es gibt einen ständig steigenden Überschuss von heute 6,8 Milliarden Euro zu unseren Gunsten. Denn wenn auch nicht im Ausmaß Deutschlands erhöhten auch wir unsere Löhne nicht mehr gemäß Produktivitätszuwachs + Inflation und erlangten dadurch einen steigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber US-Waren.

Mit Trumps Zöllen verlören wir ihn, und das kostete bekanntlich doppelt: Indirekt als Zulieferer der deutschen Kfz-Industrie und direkt, weil unser Export in die USA mit 14,7 Milliarden Euro der größte hinter dem Export nach Deutschland ist. Er umfasst vor allem Maschinen und Geräte, Pharmazeutika und Getränke sowie Zugmaschinen, Kraftfahrzeuge und Metallwaren. Alle diese Branchen litten unter Trumps Zöllen. Einziger Lichtblick: Österreichische Unternehmen, die auch in den USA produzieren – Paradebeispiel VÖEST -, steigerten ihren US-Absatz. In Summe sorgen sie in den USA für 60.000 Arbeitsplätze, und solche weiterhin zu schaffen, ist mindestens so sehr Ziel von Treumps Zollpolitik wie der Schutz der eigenen Waren. Ich glaube daher nicht, dass ihn eine kurze Kurskorrektur an der Wall Street von dieser Politik abbringt, und auch nicht, dass der Zollkrieg Grund dieser Korrektur war.

Donald Trumps „goldenes Zeitalter“

begann mit Korrekturen an der Wall Street,

die die EU seinem Handelskrieg zuschreibt.

Doch ökonomisch gefährdet

vor allem Elon Musk die USA

Das viel größere Risiko für die US-Wirtschaft schein Elon Musk zu sein: An der Seite Donald Trumps wahlkämpfend hat er behauptet, die Ausgaben der Regierung ließen sich durch Bürokratieabbau um bis zu 30 Prozent senken, und Trump hat ihm den US-Verwaltungsapparat daruf als Spielzeug überlassen, und so behandelt er ihn auch: setzt ihn Kündigungsorgien aus, schloss nach Gutdünken Behörden, entriss ihm nach Belieben Datensätze, bis ein Gericht es stoppte – vorerst scheint das nicht die Effizienz zu steigern, sondern Chaos auszulösen. Dabei werden die USA der vielen Partikularinteressen der Bundesstaaten wegen tatsächlich kostspielig verwaltet, und der Abstand zwischen Staatsausgaben und Staatseinnahmen wird, freilich auch der Steuersenkungen für Reiche wegen, immer größer. Die Verwaltungsausgaben zu senken machte also Sinn. Allerdings nur, wenn der Staat Geld, das er derzeit kostspielig (schlecht) investiert, in Zukunft gut investierte.

Bliebe es hingegen beim reinen Senken der Staatsausgaben, so litte die US-Wirtschaft, denn auch für sie gilt seit Jahrzehnten, dass Konsumenten und Unternehmen sich nicht mehr ausreichend verschulden, sodass nur steigende Staatsausgaben (Staatsverschuldung) ausreichende Nachfrage (Wachstum) gewährleisten. Dass man das in der EU nicht begreift, bedingt ihr Zurückbleiben hinter der USA. Dort wird es zwar intellektuell vielleicht auch nicht begriffen, aber zumindest um ihre militärische Überlegenheit zu erhalten, haben sich die USA stets verschuldet.

Elon Musk mag die besten E-Autos und Raketen bauen – die Mathematik zu widerlegen vermag er nicht. Senkt er die US-Verwaltungsausgaben tatsächlich um volle zwei Billionen Dollar, ohne dass die Investitionen an anderer Stelle steigen, so schrumpft die US-Wirtschaft.

Die Folgen wären katastrophal: Sie könnte weder die lahmende Wirtschaft der EU in Gang halten, indem sie deren Exporte aufnimmt, noch könnte China wie bisher wachsen, wenn ihren Exporten in die USA nicht nur Zölle, sondern auch wirtschaftliche Schrumpfung entgegenstehen. Zölle können nützlich sein um alle Beteiligten zu gleichartiger, fairer Verschuldung zu bewegen, aber wenn die stärkste Volkswirtschaft der Welt in den Krisenmodus verfiele, beschleunigten sie die Abwärtsspirale.

Doch ich zähle auf Trumps Wunsch „Make America Great Again“: er merkte ziemlich bald, dass Massenkündigungen vor allem aber drastisch reduzierte Verwaltungsausgaben ohne deutlich erhöhte andere Investitionen das Gegenteil dessen bewirken, was er geglaubt hat, und agierte wohl wie seinerzeit Ronald Reagan: der senkte im Glauben an Milton Friedmans neoliberale Ökonomie anfangs auch die Staatsausgaben, bis er nach zwei Jahren merkte, wie schlecht das der Wirtschaft tat, und zum Gegenteil überging. Trump so glaube (hoffe) ich, merkte es schneller und feuert Musk.

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Das Erdgas-Dilemma der EU

Wladimir Putin weniger Gas abzukaufen hat seiner Kriegskasse nicht geschadet und den Klimawandel eher beschleunigt. Die Erschließung grüner Energie freilich auch.

In der Vorwoche gab die Internationaler Energieagentur bekannt, dass der Erdgasverbrauch 2024 einen neuen Höchststand erreichte. Mit 2,8 Prozent stieg er mehr als in den Jahren davor und wird 2025 weiter steigen. Der ORF meldete das zwar, aber es wird verdrängt, was es bedeutet: Das EU- Klimaziel ist weit weg, denn aus viel Erdgas entsteht bei Verbrennung besonders viel CO2; und der „Höchststand“ des Gasverbrauchs kommt voran Russland zugute. Die Hoffnung der EU, dass es Wladimir Putins Kriegskasse schadet und dem Planeten nützt, wenn sie Russland weniger Erdgas abkauft, war mindestens voreilig. Denn es gibt kein EU- Klima, sondern nur ein Weltklima, das vom weltweiten Ausstoß von Treibhausgasen abhängt –  dass die EU weniger davon ausstößt nützt nichts, wenn andere Staaten, von China bis Indien, um diesen Minder-Ausstoß mehr ausstoßen. Denn was immer an fossilen Brennstoffen gefördert wird, das wird auch verbrannt. Während in der EU immerhin die Chance besteht, dass Filter etwas CO2 abfangen, besteht sie in Indien oder China kaum – dass der Verkauf sich dorthin verlagert hat, beschleunigt den Klimawandel daher sogar. An all dem ändert nur wenig, dass die Ukraine den Transit russischen Gases jetzt gestoppt hat – es erreicht uns eben auf anderen Wegen, so wie es Indien oder China weiter erreicht.

Dass die VOEST ihren Stahl oder die AMAG ihr Aluminium lang mittels billigen russischen Gases produzierten konnten, war nicht zuletzt Teil unseres Wirtschaftswunders. Wir waren nur zu lange der Meinung, dass Putin ein „Partner“ wäre und haben unsere Abhängigkeit erst in den letzten zwei Jahren verringert. Das Dilemma ist dennoch keineswegs auf uns beschränkt: Fast alle EU-Staaten, auch Deutschland oder Frankreich, brauchen weiterhin Gas: Es war (ist) zwar immer ein Fehler, dabei von einem Lieferanten -Russland- abzuhängen, aber es ist fraglich, ob es weiterhin klug ist, Russland kein Erdgas abzukaufen, obwohl es das relativ billigste ist? Normalerweise nennen wir es „Ausbeutung“ unterentwickelter Länder, ihnen ihre Bodenschätze billig abzukaufen – warum soll es derzeit falsch sein, Russland auszubeuten? Vollendete man die fast fertige Nordstream 2 Pipeline, so könnte man Putin besonders billiges Gas abkaufen, ohne durch ihn erpressbar zu sein, denn es gibt ja jetzt Norwegen oder Algerien als weitere Bezugsquellen und Andock-Stellen für LNG aus den USA.

Es müsste gelingen, alle Maßnahmen so aufeinander abzustimmen, dass das Ergebnis ökologisch wie ökonomisch optimal ist: Noch braucht man Erdgas und ich glaube, dass man es besser billig von Putin als teuer von Donald Trump kauft. Gleichzeitig muss die CO2-Steuer so hoch sein, dass dennoch alles geschieht, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu vermindern. Zugleich muss die EU vermeiden, wirtschaftlich gegenüber den USA oder China total ins Hintertreffen zu gelangen – eine Sisyphus -Aufgabe.

Jemand, der die diesbezüglichen Probleme der EU von Beginn an gesehen hat, ist der deutsche Ökonom Heiner Flassbeck. Ich habe hier vor Monaten wiedergegeben, warum er bezweifelt, dass wir das Klimaziel erreichen: Man weiß, in welchem Ausmaß die Förderung fossiler Energie zu diesem Zweck abnehmen müsste – aber sie nimmt (siehe oben) im Gegenteil zu. Erfolgreich wäre man nur, wenn die Erdgas-Produzenten sich einvernehmlich bereit erklärten, die Förderung schrittweise zu drosseln. Das aber geschieht wohl erst, wenn alternative Energie preiswerter als fossile ist – deshalb ist es nicht sinnlos, dass der „Green Deal“ der EU die Erschließung  alternativer Energie vorantreibt.

Im Vorjahr hat Flassbeck dergleichen Probleme in dem  Buch „Grundlagen einer relevanten Ökonomik“[1] aufgezeigt, das Professor Ewald Nowotny auf mein Ersuchen hin im Falter besprochen hat: Er fand es zwar  „interessant“, bezweifelte aber etliche darin enthaltene Überlegungen. Ich hingegen sehe Flassbeck immer öfter bestätigt und halte sein Buch für eines der wichtigsten der Gegenwart, weil es den Thesen der herrschenden neoklassischen und neoliberalen Ökonomie gegenüberstellt, was sich tatsächlich ereignet. So ist es eine zentrale Vorstellung der Neoklassik, dass der Markt Gleichgewichte herstellt und genau das tut er an zentraler Stelle nicht: So verhielten sich von Arbeitslosigkeit Bedrohte marktgerecht, wenn sie möglichst viel Geld ausgäben und ihre Arbeit möglichst teuer anböten, aber in der Realität sparen sie und nehmen ungünstigere Arbeitsverträge in Kauf. Vor allem geht Flassbeck auf eine  wesentliche Veränderung gegenüber den Umständen ein, die John M. Keynes zu seinen Thesen veranlassten: Keynes erlebte, dass sich Unternehmen nicht ausreichend verschuldeten, um Wachstum zu generieren, so dass der Staat sich durch Defizit Spending  verschuldend, eingreifen muss, um Krisen zu überwinden. Derzeit aber verschulden Unternehmen sich fast nie ausreichend, weil sie ihre Investitionen aus ihren Gewinnen finanzieren können –  daher muss der Staat sich permanent verschulden, wenn die Wirtschaft wachsen soll. Das Buch beginnt mit der überraschenden Erkenntnis, dass der Weltwirtschaftskrise in den USA uns Europe eine Massive Senkung der Löhne voranging, weil man meinte, damit mehr Arbeit zu schaffen – aber das Gegenteil trat ein. Die von zu niedrigen Löhnen ausgehende Gefahr ist in der EU auch jetzt gegeben – auch das macht das Buch so aktuell.

[1] Westend Verlag Neu Isenburg

 

 

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Was bringt Trump den USA? (und uns?)

Trump gefährdet den US-Rechtsstaat wie nie. Das wird das goldene Zeitalter, das er der US-Wirtschaft verspricht, verkürzen. Der EU drohen harte Zeiten, wenn sie bleibt wie sie ist.

Noch sind die USA ein Teil der freien Welt, aber Vieles an der Inauguration Donald Trumps im Capitol erinnerte an Auftritte Wladimir Putins im Kreml.

Frenetisch beklatschen die Anwesenden jede seiner Lügen, selbst wenn sie ans Surreale grenzten: Er würde die Justiz wieder zu einem Instrument der Rechtsprechung statt der Verfolgung Unschuldiger machen, erklärte er, ohne dass jemand lachte und  begnadigte tags darauf den Mob, den er zum Sturm aufs Capitol angestiftet hatte. So wie Putin die orthodoxe Kirche hinter sich weiß, ist Trump das Idol der Evangelikalen und konnte sich wie wie Adolf Hitler rühmen, dass Attentate auf ihn erfolglos blieben, weil Gott ihn auserwählt hat, Amerika wieder groß zu machen. Joe Biden, der der Feier wie alle Ex-Präsidenten beiwohnte, musste sich anhören, dass er die USA in den Abgrund geführt hat, obwohl sie wirtschaftlich bestens dastehen. Aber Trump hat, wie bei der Wahl, das Glück, dass preissteigernde Lohnerhöhungen eine durch die OPEC und Russland verursachte Verteuerung fossiler Energie zu einer Inflation gesteigert hatten, die Bidens Erfolg vorerst verdeckt.

Für mich beinahe gespenstisch war, dass die reichsten Männer der Welt,  Jeff Bezos (Amazon), Marc Zuckerburg (Facebook), Bill Gates(Microsoft)und Elon Musk, ( X, Tesla Space X) sich Trump nicht anders unterwerfen als Russlands Oligarchen Wladimir Putin: Sie wissen um seine Entschlossenheit, jeden, der ihm entgegentritt, zu vernichten. Anders als die meisten Kommentatoren bin ich nicht so sicher, dass die US-Verfassung und das US-Justizsystem dergleichen verhindern.

Deshalb bin ich auch nicht so sicher, dass der wirtschaftliche Boom, den Trump auslöste, nachhaltig ist: Erfolgreiche Marktwirtschaft braucht auf Dauer Rechtssicherheit, die Freunderlwirtschaft vermeidet. Und die ist massiv wie nie zuvor: Groß-Spender Elon Musk erhielt bekanntlich eine eigene Behörde, um die Staatsausgaben zu reduzieren und wird das sicher nicht dort tun, wo sie seinem Raketenprogramm Space X zu Gute kommen. Eher werden sie dort kräftig steigen, hat Trump doch das Erobern des Mars zum Staatsziel erklärt. Doch so prestigeträchtig das ist, wird es, anders als die Space X- Raketen zur Installation von Satelliten im All, das Bruttoinlandsprodukt der USA nur marginal erhöhen- den Reichtum Musks dagegen astronomisch.

Ganz anders ist das mit Trumps Milliardeninvestition in Künstliche Intelligenz, ist sie doch die Technologie der Zukunft. Der Draghi-Bericht sah Ähnliches auch für die EU vor, aber dort haben vier Staaten, darunter Österreich, gemeinsam mit Deutschland verhindert, dass ein entsprechender Fonds geschaffen wurde. Ihrer ökonomischen Ahnungslosigkeit wegen spart die EU sich auch bei KI so kaputt, wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stieglitz vorgerechnet hat.

Allerdings rechnet Stieglitz jetzt auch vor, dass Trumps Investitionen die gesetzliche Grenze überschreiten dürften, die der Congress jeweils für die US-Staatsverschuldung festlegt, und so wie konservative Republikaner Trump in seiner ersten Amtszeit an Investitionen in die Infrastruktur gehindert haben, könnten sie ihn jetzt auch bei KI daran hindern – die Ideologie, der er zum Sieg verholfen hat, steht ihm zugleich im Weg.

Sich selbst steht Trump im Weg indem er versprach, elf Millionen Ausländer, die ohne Papiere im Land sind, zu deportieren. Denn damit verschärfte er massiv den Arbeitskräftemangel, der US- Arbeitnehmern zuletzt die großen Lohnerhöhungen verschafft hat, die die Inflation anheizten. Das geschähe jetzt in noch viel größerem Ausmaß – wie Trump dennoch sein Versprechen einhalten will, die Preise zu senken, bleibt ein Rätsel, sofern er sich nicht wie in den letzten Tagen mit Show-Abschiebungen begnügt.

Stieglitz hat aber auch vorgerechnet, wie gewaltig die Staatsverschulung nicht nur durch Trumps Investitionen, sondern auch durch seine neuerlich geplanten Steuersenkungen steigen wird und dass die Märkte darauf mit empfindlichen Zinserhöhungen für neues Geld reagieren könnten. Um so mehr ist daher damit zu rechnen, dass Trump alle von ihm angedrohten Zölle auch verhängt, um sein Handelsbilanzdefizit zu verringern, zu dem die EU zwar nicht 350, wohl aber 220 Milliarden Dollar beiträgt: In diesem Ausmaß verschulden sich die USA jährlich zu Gunsten der EU, davon allein mit 80 Milliarden zu Gunsten Deutschlands, voran seiner Autoindustrie. Deutsche Luxuslimousinen können Cadillac und Co. nämlich voran deshalb so erfolgreich ausstechen, weil deutsche Unternehmen sie dank protektionistischer Lohnzurückhaltung besonders preisgünstig produzieren. Wie sehr Politiker, Ökonomen oder Medien Trumps Protektionismus auch verdammen, ist er doch die logische Konsequenz deutscher Dumpinglöhne.

Irgendwann wird man in der EU begreifen müssen: In den USA wurden und werden die Löhne so erhöht, dass die Bevölkerung fast alles, was die USA produzieren, auch kaufen kann – sie müssen relativ wenig exportieren. Bei der EU ist das nicht entfernt der Fall, obwohl sie der größere Wirtschaftsraum ist. Nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit (digitale Plattformen ausgenommen) ist zu gering, sonst könnte die EU nicht solche Handelsbilanzüberschüsse gegenüber den USA erzielen, sondern unsere Löhne sind zu niedrig, um zu ermöglichen, dass wir das Gros unserer Waren selber kaufen. Ändert die EU weder ihre Lohn- noch ihre Sparpolitik, geschieht uns recht, wenn wir abgehängt werden.

 

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Nur ökonomisch ist die FPÖ ungefährlich

Das aktuelles Schuldenproblem löst die FPÖ nicht schlechter als ÖVP oder NEOS -es ist die EU, die es zum Risiko macht. Für kritische Medien ist die FPÖ lebensgefährlich.

Die Plattform #aufstehn sammelt Unterschriften, um ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne dazu zu bewegen, doch neuerlich die Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit zu versuchen, um Herbert Kickl als Kanzler abzuwenden. Ich habe unterschrieben, obwohl ich dafür nur eine marginale Chance sehe – aber ich will mir nicht vorwerfen, sie nicht genützt zu haben. Denn ich halte das Aufgeben dieses Versuches seitens der NEOS für eine Katastrophe: Auch ich habe Probleme mit der Sprache Andreas Bablers, aber seine Forderung, Vermögen, das nur in der Slowakei und Mexiko weniger als bei uns besteuert wird, höher zu besteuern, sei es um die Steuern auf Arbeit zu senken oder unser Budgetloch zu reduzieren, ist wahrhaftig nicht absurd. Aber vermutlich war der Einfluss Vermögender auf Beate Meinl-Reisinger doch so groß, dass sie diese Überlegung weder angestellt noch gar gegenüber Karl Nehammer vertreten hat. Und natürlich war die ÖVP immer das zentrale Problem: Ihre ökonomische Sturheit ist seit Sebastian Kurz zur Lähmung geworden. Dagegen kann man dem Chef der Industriellenvereinigung Georg Knill, der derzeit die  höchsten Lohnstückkosten der EU zu verkraften hat, viel schwererer verübeln, dass ihm bei der Lektüre des FP- Programms das Wasser im Mund zusammenläuft, lehnt es doch nicht nur Vermögensteuern ab, sondern empfiehlt auch, die Körperschaftsteuer auf 10 Prozent zu halbieren, nicht entnommene Gewinne gar nicht zu besteuern. (Zum Vergleich: die US-Körperschaftsteuer beträgt nach ihrer drastischen Reduktion durch Donald Trump 21Prozent). Zu begreifen, dass es die Nachfrage gefährlich reduziert, wenn man Vermögende (Wohlhabende) kaum besteuert, während die große Mehrheit derer, die wenig haben und daher soviel wie möglich kauften, hoch besteuert, ist von Industriellen leider zu viel verlangt. So wenig wie man historisches Bewusstsein von ihnen erwarten kann: Auch für die Industrie war es am Ende fatal, selbst Adolf Hitler zum Kanzler gemacht zu haben.

Allerdings müssten selbst Teenagern von minimaler politischer Bildung spätestens seit Mitte der Vorwoche klar sein, wie sehr eine FP-geführte Regierung die Demokratie gefährdet. Bekanntlich nahmen französische Journalisten Aussagen der FP-Mandatare Harald Stefan und Markus Tschank mit dem Handy auf, wonach die ÖVP „jämmerlich“ sei und man „eigentlich aus der EU austreten müsse“. Selbst wenn man in diesen Aussagen nur den Widerspruch zu Kickls Beteuerungen sieht, musste einem Angst und Bange werden, wenn man erlebte, wie Wiens FP-Obmann Dominik Nepp reagierte, als Der Standard diese Aussagen publizierte: „Wir haben Österreich fünf gute Jahre versprochen“ postete er auf  X, „fünf gute Jahre, wenn es mit diesem ‚Scheissblatt‘ endlich vorbei ist“. Im angefügten Hashtag erklärte er wie: Man könnte ja die Presseförderung überdenken. Eigentlich müsste VP-Chef Christian Stocker eine Gänsehaut haben, nachdem er gehört hat, wie Nepp und FP-Generalsekretär Christian Hafenecker mit dem ORF oder mit Der Standard, das heißt mit kritischen Meinungen, umgehen wollen. Aber VP-Funktionäre haben seit gut zehn Jahren eine Elefantenhaut.

Dabei wäre sogar eine Rückkehr der ÖVP zu Verhandlungen mit SPÖ, und NEOS rein technisch nicht schwer: Finanzminister Gunter Mayr müsste Brüssel nur bekanntgeben, dass Österreich die von ihm bereits gemeldeten und akzeptierten Einsparungen auch in dieser Regierungskonstellation durchführt. Andreas Babler müsste sich dann zwar ärgern, dass Vermögende keinen Beitrag leisten und Beate Meinl Reisinger müsste bedauern, dass große Reformen, etwa die Anpassung des Pensionsantrittsalters an die gestiegene Lebenserwartung fehlen, aber die Demokratie vor Herbert Kickl zu schützen, müsste ihnen das eigentlich wert sein. Nur wird es das Georg Knill das sicher nicht wert sein.

Weil ich Knill wie Kickl gegenüber selbstverständlich fair sein will, gestehe ich ihnen zu, dass die Maßnahmen, auf die FPÖ und ÖVP sich bisher geeinigt haben, die Wirtschaft nicht gleich abwürgt, handelt es sich doch um den einfachen Anfang: Die Bildungskarenz zu streichen, erhöht sogar den wirtschaftlichen Output, denn sie hat die berufliche Fortbildung kaum befördert, nur Geld und Arbeitsleistung gekostet. Die im EU-Vergleich besonders hohe Förderung für E-Autos oder Wärmepumpen zu reduzieren, kostet die Wirtschaft zwar Aufträge, aber es stellt die Klimaziele nicht in Frage und das wichtige Klimaticket bliebe erhalten. Den Klimabonus zu streichen, ist zwar ökologisch sogar sinnvoll, verringert aber massiv und voran zu Lasten sozial Schwacher die Kaufkraft, denn die CO2-Abgabe muss ja erhalten bleiben.

Dagegen muss eine Senkung der Körperschaftsteuer nicht völlig schief gehen: In den USA mussten die Unternehmen Teile ihrer erhöhten Gewinne an die Arbeitnehmer weitergeben, weil es an Arbeitskräften mangelte -das kann auch hier passieren.

Obwohl die FP-VP- Maßnahmen also meines Erachtens die relativ besten waren, wenn man dem Sparzwang der EU nachkommen muss und vermögensbezogene Steuern tumb ausschließt, wird das Ende des Klimabonus, die geplanten Gebührenerhöhung und die Einsparung der Ministerien die Inlandskaufkraft doch deutlich senken. Da die EU gleichzeitig die Auslandkaufkraft senkt, indem sie bereits acht Staaten Defizitverfahren androht, wird sich die Rezession letztlich vertiefen. Dafür wird die FPÖ nichts können – für das Aushungern kritischer Medien dagegen sehr wohl.

 

 

 

 

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